Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten bei erheblicher Steh- und Gehbehinderung als außergewöhnliche Belastung § 33 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Bei Steuerpflichtigen mit erheblicher Geh- und Stehbehinderung, die sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, sind grundsätzlich sämtliche Kfz-Kosten, soweit es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Für sämtliche Aufwendungen gilt, dass sie einen angemessenen Rahmen nicht übersteigen dürfen.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang der steuerlichen Anerkennung von Kraftfahrzeug (Kfz)aufwendungen außergewöhnlich gehbehinderter Steuerpflichtiger als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kläger bezieht Versorgungsbezüge aus öffentlicher Kasse. Seine Ehefrau bezieht Altersrente.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80%. Ihm ist zudem wegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung das Merkzeichen „aG“ zuerkannt. In der ESt-Erklärung des Streitjahres 2005 machten die Kläger unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 29. April 1996 (BStBl I 1996, 446) Privatfahrten mit dem PKW im Umfang von 15.000 km und behinderungsbedingt unvermeidbare Fahrten im Umfang von 3.000 km als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie brachten dabei jeweils einen Kilometersatz von 0,30 Euro in Ansatz. Im ESt-Bescheid 2005 vom 7. Juli 2006 anerkannte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – lediglich Fahrten im Umfang von 15.000 km als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung ist ausgeführt: „Als Fahrtkosten im Rahmen der Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen wurden 15.000 km x 0,30 Euro = 4.500 Euro angesetzt. Eine Fahrleistung von mehr als 15.000 km liegt nicht mehr im Rahmen des Angemessenen“. Hiergegen erhoben die Kläger am 13. Juli 2006 Einspruch: Die Absetzung der Kosten für 3.000 km behinderungsbedingt unvermeidbare Fahrten sei unberechtigt. Nach dem Inhalt der Steuerrichtlinien könnten diese zusätzlich zu privaten Fahrten geltend gemacht werden. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2007 zurück: Die 15.000 km Grenze beinhalte bereits behinderungsbedingt unvermeidbare Fahrten. Ein Anspruch auf eine kumulative Berücksichtigung bestehe nicht. Etwas anderes gelte lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen z.B. dann, wenn die 15.000 Grenze schon nahezu vollständig durch behinderungsbedingt unvermeidbare Fahrten zur Durchführung einer berufsqualifizierenden Ausbildung ausgeschöpft werde (vgl. BFH, Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 6/99, BStBl II 2002, 198). Ein vergleichbarer Ausnahmefall sei hier nicht gegeben.
Mit der am 5. Februar 2007 erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend:
Das FA interpretiere die in Bezug genommenen Richtlinien und Urteile fehlerhaft. So habe der BFH im Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 6/99, BStBl II 2002, 198 unter 2. c) bb) ausgeführt, dass sich die Begrenzung auf 15.000 km auf rein private, im Wesentlichen dem persönlichen Vergnügen dienende Fahrten, nicht aber auf Fahrtaufwendungen, die zum überwiegenden Teil durch zwingende sachliche Gründe veranlasst seien, beziehe. Diese Rechtsprechung werde im Urteil vom 21. Februar 2008 III R 105/06, BFH/NV 2008, 1141 bestätigt.
Das FA hat aus hier nicht relevanten Gründen am 10. Oktober 2007 und am 26. November 2007 jeweils geänderte ESt-Bescheide 2005 erlassen.
Die Kläger beantragen,
weitere Fahrtkosten in Höhe von 900 Euro als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen und die ESt 2005 unter Änderung des geänderten ESt-Bescheides 2005 vom 26. November 2007 entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2009 verwiesen. Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Anerkennung weiterer Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG zu.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Die Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nich...