Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 2 Nr. 1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgebenden Fassung ist verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger ein Versorgungsfreibetrag zusteht.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kläger war 1984 in alleiniger Kanzlei als Anwalt tätig. Er gründete eine Sozietät mit einem Rechtsanwalt. In Vorbereitung auf die Sozietätsgründung und unter Hinblick auf die spätere Nachfolge bat der Kläger das Finanzamt (FA) um Prüfung und Bestätigung des vorgesehenen Sozietätsvertrages. Unter anderem bat der Kläger um Prüfung und Bestätigung, dass die bei seinem Ausscheiden von dem aufgenommenen Rechtsanwalt zu zahlende Rente gemäß § 16 des Sozietätsvertrages als betriebliche Versorgungsrente anerkannt werde.
§ 16 des eingereichten Vertragsentwurfs und des geschlossenen Sozietätsvertrages lauten übereinstimmend wie folgt:
Ansprüche des Seniors nach dessen Ausscheiden
(1) Scheidet der Senior aus, so hat er Anspruch auf
- seinen Anteil am Betriebsüberschuß bis zum Ausscheiden (§ 7);
- eine betriebliche Versorgungsrente in Höhe von 5.000,-- DM (in Worten: Fünftausend Deutsche Mark) monatlich, beginnend mit dem auf das Ausscheiden folgenden Monatsletzten.
(2) Die betriebliche Versorgungsrente ist auf die Dauer von 11 Jahren zu zahlen (abgekürzte Leibrente).
Erhöhen oder ermäßigen sich die Lebenshaltungskosten, wie sie für einen 2-Personen-Rentner-Haushalt vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden, so erhöht oder vermindert sich die Versorgungsrente entsprechend.
Ausgangspunkt ist die für den Monat des Ausscheidens veröffentlichte Indexzahl. Eine Anpassung der Rente ist jeweils nach Ablauf von 12 Monaten vorzunehmen.
Die Genehmigung dieser Wertsicherungsklausel durch die Landeszentralbank wird beantragt.
(3) Soweit und solange die Rentenzahlungen höher sein würden als 20 % der Einnahmen (§ 5), entfallen sie. Soweit und solange die Rentenzahlungen geringer sein würden als 16 % der Einnahmen (§ 5), sind 16 % der Einnahmen zu zahlen (Zumutbarkeitsgrenzen). Durchlaufende Posten sind keine Einnahmen. Abrechnungszeitraum ist das Kalenderjahr.
(4) 3 Monate nach dem Tode des Seniors (jedoch nicht vor dem 1. 9. 1989) reduzieren sich die - alsdann an dessen Witwe zu leistenden - Rentenzahlungen auf 60 % der ansonsten zu zahlenden Versorgungsrente. Über den Tod der Witwe hinaus sind Rentenleistungen nicht mehr zu erbringen.
(5) Der Senior hat ab Ausscheiden Anspruch auf eine angemessene, dem Junior zumutbare Absicherung der Versorgungsrente.
Mit Schreiben vom 5. Juni 1984 teilte das FA nach Prüfung des vorgelegten Entwurfs des Sozietätsvertrages dazu u. a. Folgendes mit:
„Vorbehaltlich einer abweichenden BFH-Rechtsprechung teile ich Ihre Auffassung, daß die vereinbarte Versorgungsleistung (§ 16) als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit vom Senior gemäß § 24 Nr. 2 EStG zu versteuern und beim Junior entsprechend als Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Bei dieser Behandlung scheidet allerdings eine Vergünstigung nach den §§ 16 und 34 i. V. m. § 18 Abs. 3 EStG aus.“
Der Kläger schied Jahre später aus der Sozietät aus. In der ESt-Erklärung erklärte der Kläger in der Anlage GSE unter Zeile 35 Einkünfte aus ehemaliger selbständiger Tätigkeit, betriebliche Versorgungsrente, in Höhe von 60.000 DM.
Mit ESt-Bescheid für 1996 vom 16. April 1998 setzte das FA die ESt unter Berücksichtigung eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von ... DM auf ... DM fest.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vom 20. April 1998 begründeten die Kläger wie folgt. Bei der betrieblichen Versorgungsrente des Ehemannes sei der Versorgungsfreibetrag nicht berücksichtigt worden. Die betriebliche Versorgungsrente sei in gleicher Weise als Entlohnung für frühere Dienstleistungen anzusehen, wie die Versorgungsbezüge eines vergleichbaren Beamten oder Richters. Bei grundgesetzkonformer Auslegung des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei ein Abzugsbetrag für Versorgungsleistungen nicht nur ausgeschiedenen Richtern zu gewähren, sondern auch altershalber ausgeschiedenen Anwälten. Pensionen und betriebliche Versorgungsrenten hätten die gleiche Zweckbestimmung. Auch bei Richterpensionen handele es sich um nachträgliche Einkünfte aus vor dem Ausscheiden geleisteter Arbeit. Die Regelung des § 16 verfolge das Ziel, dem Senior (dem Kläger) nach seinem Ausscheiden eine angemessene, dem Junior zumutbare Altersversorgung zu gewähren. Dies bringe der Sozietätsvertrag hinreichend zum Ausdruck, auch nach Meinung des FA.
Aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen änderte das FA den ESt-Bescheid 1996 mit Bescheid vom 3. Juli 1998.
Mit Schreiben vom 23. Juni 1998 nahm das FA zum Einspruch der Kläge...