Entscheidungsstichwort (Thema)
Die fehlende Reaktion eines Steuerpflichtigen zur Offenlegung seiner Bankverbindungen gegenüber dem FA rechtfertigt ein Auskunftsersuchen gegenüber Dritten nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO. Auskunft durch Dritte im Vollstreckungsverfahren nach § 93 Abs. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
(1) Beantwortet ein Steuerpflichtiger nicht die Anfrage des Finanzamtes zur Offenlegung seiner Bankverbindungen, so ist dieses – unter Beachtung der Formvorschriften des § 93 Abs. 2 AO – nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO auch im Vollstreckungsverfahren berechtigt, die Auskunft von Dritten (hier: Geschäftspartnern des Steuerpflichtigen) einzuholen.
(2) Dies gilt auch dann, wenn das letzte Auskunftsersuchen gegenüber dem Steuerpflichtigen mehr als 12 Monate vor der Anfrage gegenüber dem Dritten erfolgte, sofern das zwischenzeitige Verhalten des Steuerpflichtigen in dem gegen ihn eingeleiteten Vollstreckungsverfahren (hier: Verweigerung der Herausgabe von Pfandsachen, ungeklärter Verbleib von Pfandsachen) eine erneute Anfrage nicht aussichtsreich erscheinen lässt.
Normenkette
AO 1977 § 93 Abs. 1-2
Tenor
Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Finanzamt (FA) die Klägerin (Klin.) im Vollstreckungsverfahren als Dritte um eine Auskunft gemäß § 93 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) ersuchen durfte.
Das FA betreibt seit Juni 1993 die Vollstreckung gegen …. Es bestehen vollstreckbare Ansprüche in Höhe von ca. x DM (Steuern und Nebenleistungen, Stand 5. Mai 1997). Die dem FA bekannten Kontoverbindungen sind erfolglos gepfändet worden. Zahlungsankündigungen und Tilgungsvereinbarungen sind von der Vollstreckungsschuldnerin nicht eingehalten worden. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen brachte nur geringe Ergebnisse. Die Aufforderung des FA vom 29. Juni 1995 an den durch Vollmacht ausgewiesenen Rechtsanwalt der Vollstreckungsschuldnerin, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich Kontoverbindung offenzulegen, ist nicht befolgt worden.
Durch Verfügung vom 16. Oktober 1996 ersuchte die Vollstreckungsstelle des FA die Klin. um Auskunft gemäß § 93 AO. Das Ersuchen lautet auszugsweise wie folgt:
„Auskunftsersuchen;
Strom-/Gas-/Wasserversorgung für
…, Ahornweg 1, A
geboren am …
Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß § 93 Abgabenordnung bitte ich um Mitteilung, über welche Bankverbindung (einschließlich Kontonummer) die Entgelte für die o.g. Versorgung beglichen werden.
Die Angaben werden für das Besteuerungsverfahren der/des Steuerpflichtigen benötigt.
Eine Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten führte nicht zum Ziel.
Ich bitte, für die Antwort die Rückseite dieses Schreibens zu verwenden. …”
Das Antwortformular lautete wie folgt:
„Urschriftlich an das
Finanzamt B (Bekl.)
-Vollstreckungsstelle-
Postfach …
B
Die Entgelte für den u.g. Versorgungsanschluß werden über die folgende Bankverbindung beglichen:
Kontoinhaberin/Kontoinhaber: ________________________________________
Institut: __________________________________________________________
Kto.-Nr. _________________ BLZ: __________________________________
Ort, Datum |
Unterschrift |
___________________________ |
__________________________ „ |
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1996 bat die Klin., das Auskunftsersuchen inhaltlich zu präzisieren, damit sie in der Lage sei, eine etwaige Rechtspflicht zur Mitteilung der gewünschten Daten zu überprüfen. Nach § 93 AO sei sie als andere Person erst dann auskunftspflichtig, wenn die Sachverhaltsaufklärung bei der Beteiligten nicht zum Ziele führe oder keinen Erfolg verspreche. Es werde gebeten mitzuteilen, warum gerade die Inanspruchnahme der Klin. erforderlich sei. Soweit es sich um eine Vollstreckungssache handele, werde um Auskunft gebeten, warum das FA die erforderlichen Angaben nicht im Rahmen des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung erlangen könne.
Mit Verfügung vom 5. November 1996 legte das FA dar, daß sich das Auskunftsersuchen auf § 93 AO stütze. Eine Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten sei ohne Erfolg geblieben. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 AO solle eine Versicherung an Eides Statt nur dann gefordert werden, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht zur Verfügung stünden. Das Auskunftsersuchen stelle ein solches anderes Mittel dar. Insofern seien die Einwendungen der Klin. unbegründet.
Mit ihrem am 14. November 1996 eingegangenen Einspruch wandte sich die Klin. gegen das Auskunftsersuchen vom 16. Oktober 1996. Sie führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß § 93 Abs. 1 AO eine Ermessensvorschrift sei. Eine Ermessensausübung sei aus der Anfrage nicht deutlich geworden. Die Anfrage bei Dritten sei die Ausnahme und nicht die Regel (vgl. Bundesfinanzhof -BFH- Bundessteuerblatt -BStBl- II 1989, 537). In dem Auskunftsersuchen habe das FA lediglich die Einschätzung abgegeben, daß eine Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten keinen Erfolg verspreche. Es werde jedoch nicht deutlich, daß sich das FA ...