Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsetzung eines zweiten Grundlagenbescheids in vollem Umfang
Leitsatz (redaktionell)
Ein (zweiter) Grundlagenbescheid kann in vollem Umfang umgesetzt werden, soweit er einen (ersten) Grundlagenbescheid ändert (Veränderung der Höhe der festgestellten Einkünfte).
Dies gilt auch dann, wenn der erste Grundlagenbescheid versehentlich nicht umgesetzt wurde und die Zweijahresfrist bezogen auf den ersten (nicht umgesetzten) Bescheid bereits abgelaufen ist. Die Umsetzungspflicht beschränkt sich in diesem Fall nicht auf den Differenzbetrag zwischen den im ersten Grundlagenbescheid festgestellten Einkünften und den im zweiten Grundlagenbescheid festgestellten Einkünften.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Einkommensteuerbescheid 2005 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung -AO- noch geändert werden durfte oder ob ein Änderungsbescheid aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung nicht hätte ergehen dürfen.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann bezog im Streitjahr neben weiteren Einkünften als Steuerberater und Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus erzielte er u. a. aus der Beteiligung an einer Steuerberatungsgesellschaft (A) Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die gesondert und einheitlich vom Finanzamt C festgestellt wurden.
In der am 28. Dezember 2006 beim ehemalig zuständigen Finanzamt E eingereichten Steuererklärung erklärte der Kläger Einkünfte aus Beteiligungen (A) in Höhe von 275.778,00 €.
Mit Mitteilung für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 27. August 2007 teilte das für die gesonderte und einheitliche Feststellung zuständige Finanzamt C dem Finanzamt E mit, dass für den Kläger durch Feststellungsbescheid vom 27. August 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 276.325,80 festgestellt wurden (Betriebseinnahmen/Gewinn aus Gesamthandsbilanz [nicht nach Quote verteilt] 384.457,52 € ./. Sonderbetriebsausgaben/persönlich erzielte Verluste 108.131,72 €).
Das Finanzamt legte in der erstmaligen Steuerfestsetzung für das Jahr 2005 vom 15. November 2007 diesen vom Feststellungsfinanzamt mitgeteilten Betrag in Höhe von 276.325 € der Besteuerung zugrunde. Die Einkommensteuer wurde auf 134.642,00 € festgesetzt; der Steuerbescheid erging gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die weitere Chronologie stellt sich wie folgt dar:
- Unter dem 8. Februar 2010 erging ein gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid. Die Beteiligungseinkünfte wurden unverändert mit 276.325 € angesetzt; die festgesetzte Einkommensteuer wurde auf 134.888,00 € festgesetzt.
- Unter dem 1. Februar 2012 erließ das Finanzamt C einen geänderten Feststellungsbescheid. Für den Kläger wurden Einkünfte aus selbständiger Arbeit (A) in Höhe von 367.679,00 € festgestellt (laufende Einkünfte [nach Quote verteilt] 16.084,05 €; Betriebseinnahmen/Gewinn aus Gesamthandsbilanz [nicht nach Quote verteilt] 394.090,95 €; Sonderbetriebsausgaben 42.496,00 €).
Eine Auswertung dieses Bescheids im Folgebescheid unterblieb.
- Mit Datum vom 17. Oktober 2012 erging ein Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, mit welchem der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO aufgehoben wurde.
- Unter dem 13. September 2013 erging ein weiterer geänderter Grundlagenbescheid des Finanzamts C. Die Einkünfte des Klägers aus Beteiligungen (A) wurden mit 368.014,55 € festgestellt (Betriebseinnahmen/Gewinn aus Gesamthandsbilanz [nicht nach Quote verteilt] 410.510,55 €; Sonderbetriebsausgaben 42.496,00 €).
- Mit Datum vom 11. Dezember 2014 erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2005. Ausweislich des Bescheides war dieser nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Beteiligungen) wurden in Höhe des zuletzt mitgeteilten Betrags in Höhe von 368.014,00 € angesetzt.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 29. Dezember 2014. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, dass hinsichtlich der zweifelsfrei Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Soweit Grundlagenbescheide noch zu berücksichtigen seien, betrage die Ablaufhemmung gemäß § 171 AO zwei Jahre. Mit Bescheid vom 1. Februar 2012 habe das Finanzamt C die Einkünfte an der Partnerschaftsgesellschaft von 276.325,00 € auf 367.679,00 € geändert. Mit Zustellung dieses Bescheides vom 1. Februar 2012 habe die zweijährige Ablaufhemmung begonnen, die demzufolge im März 2014 abgelaufen sei. Insoweit sei der Steuerbetrag im Dezember 2014 mit der Änderung auf Einkünfte in Höhe von 367.679,00 € verjährt gewesen und durfte nicht mehr festgesetzt werden. Für jeden Feststellungsbescheid beginne die Ablaufhemmung gesondert, so dass für den Feststellungsbescheid vom 13. September 2013 eine neue Ablaufhemmung angelaufen sei, jedoch ausschließlich auf den Steuerbetrag, der sich aus dieser genannten Feststellung...