Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung eines Umsatzsteuerguthabens mit Einkommensteuerforderungen im Insolvenzfall

 

Leitsatz (amtlich)

§ 94 InsO ist dahin zu verstehen, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ein bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt lässt.

 

Normenkette

AO § 226; InsO §§ 94, 201, 301

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufrechnung eines Umsatzsteuerguthabens nebst Zinsen des Klägers für das Jahr 1995 mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 rechtmäßig erfolgt ist. Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, der Aufrechnung stehe die unstreitig erfolgte Restschuldbefreiung nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen entgegen.

Der Klage liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Ausgangspunkt für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Umstand, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und ihm folgend der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2005 entschieden haben, dass die Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

Der Kläger hat in den Streitjahren mehrere Spielhallen betrieben. Über sein Vermögen wurde im August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts von September 2010 wurde dem Kläger die Restschuldbefreiung erteilt. Das Umsatzsteuerguthaben für das Jahr 1995 nebst Zinsen in einer Gesamthöhe von 67.297,74 € wurde am 18. April 2011 festgesetzt, nachdem der Beklagte, das Finanzamt, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens festgestellt hatte, dass der geänderte Bescheid über Umsatzsteuer für 1995 vom 20. März 1998 anlässlich eines vom Kläger eingereichten Einspruches vom 17. Februar 1998 nicht wirksam bekannt gegeben worden war. Auch für die Jahre 1991 - 1994 sowie 1996 - 2001 war die Umsatzsteuer wegen der geänderten Rechtsprechung des EuGH gegenüber dem Kläger bereits im Jahre 2006 durch geänderte Bescheide gemindert worden. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 hatte das Finanzamt der Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Klägers mitgeteilt, es beabsichtige, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 - 2001 zu ändern und den Gewinn jeweils um die erstattete Umsatzsteuer zu erhöhen und die entsprechenden Festsetzungen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erhöhen. Zwar seien Steuererstattungen grundsätzlich im Jahr der Zahlung als Gewinn zu erfassen, dies gelte jedoch nicht in den Fällen, in denen über das Vermögen des Steuerpflichtigen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Diese Änderungen sind in dem vom Finanzamt am 08. Januar 2007 angemeldeten Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991 - 2000 nebst Verzugszinsen enthalten und wurden als Ergebnis der Prüfungsverhandlung am 17. November 2009 zur Tabelle festgestellt. Ob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Einwände gegen die Festsetzungen und Anmeldungen zur Insolvenztabelle erhoben hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Das Finanzamt hat durch Schreiben vom 16. Mai 2011 das Umsatzsteuerguthaben auf-grund des Änderungsbescheides für das Jahr 1995 vom 18. April 2011 in Höhe von 37.702,67 € nebst 29.595,07 € Zinsen mit Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1991, 1994 und 1996 in Höhe von insgesamt 52.217,17 € aufgerechnet. Der Kläger hat im Klageverfahren drei Kopien von Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01. November 2004, vom 30. November 2006 und 28. April 2008 an das Insolvenzgericht eingereicht mit denen dieser u. a. vom Finanzamt angemeldeten Forderungen wider-sprach. Den Restbetrag von 15.080,57 € hat das Finanzamt an den Kläger ausgezahlt. Es erfolgte keine Aufrechnung mit den während des Insolvenzverfahrens entstandenen Zinsen zur Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1995.

Nachdem der Kläger gegen die erfolgte Aufrechnung Einwände erhoben hatte und auch Gespräche zwischen den Beteiligten nicht zur Beilegung der unterschiedlichen Rechtsauffassung geführt hatten, erteilte das Finanzamt dem Kläger am 28. Juni 2011 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen vor und würden auch nicht durch die erfolgte Restschuldbefreiung beeinträchtigt. Vor und nach der erfolgten Insolvenzeröffnung hätten die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gem. § 226 AO i.V.m. § 387 BGB vorgelegen, da die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, der Gleichartigkeit, der Gläubiger-Schuldneridentität sowie der Durchsetzbarkeit der Forderungen gegeben gewesen seien. Der spätere Wegfall der Durchsetzbarkeit der Forderungen durch die erfolgte Restschuldbefreiung sei unerheblich, da gem. § 94 der Insolvenzordnung (InsO) vor oder während des Insolvenzverfahrens eingetretene Aufrechnungslagen von der Insolvenz unberührt blieben. Somit stehe auch die erfolgte Restschuldbefreiung der Aufrechnung nicht entgegen.

Den gegen diesen Bescheid fristgemäß erhobenen Rechtsbehelf hat das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung vom 31. Au...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge