Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wirksamkeit des Widerrufs der Zustimmung zum Realsplitting
Leitsatz (amtlich)
Der Widerruf der Zustimmung zum Realsplitting wird erst mit Zugang bei dem für den Unterhaltsleistenden zuständigen Finanzamt wirksam.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) zu Recht die Einkommensteuer(ESt)-Bescheide 1995 bis 1998 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geändert hat.
Der Kläger (Kl.) erbrachte in den Streitjahren Unterhaltsleistungen an seine von ihm geschiedene Ehefrau. In seinen ESt-Erklärungen für 1995 bis 1998 beantragte er den Abzug der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Die geschiedene Ehefrau hatte am 18. Februar 1992 die Zustimmung zum Abzug auf dem Vordruck "Anlage U" erteilt. Die Veranlagungen des Kl. wurden dementsprechend durchgeführt.
Am 28. Dezember 1994 widerrief die geschiedene Ehefrau des Kl. bei dem für die Besteuerung ihres Einkommens zuständigen FA ... die von ihr am 18. Februar 1992 erteilte Zustimmung zum Realsplitting. Hiervon hatte der Kl. keine Kenntnis. Die Widerrufserklärung wurde versehentlich vom FA ... nicht unverzüglich an das für die Einkommensbesteuerung des Kl. zuständige beklagte FA weitergeleitet. Vielmehr teilte das FA ... erst mit Schreiben vom 22. September 2000 dem beklagten FA mit, dass bereits am 28. Dezember 1994 die besagte Widerrufserklärung der Ehefrau des Kl. beim Finanzamt ... eingegangen sei.
Daraufhin änderte das FA jeweils mit Bescheiden vom 28. Dezember 2000 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die ESt-Bescheide 1995 bis 1998 des Kl..
Hiergegen legte der Kl. am 2. Januar 2001 Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2001 als unbegründet zurückwies. Auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
Am 05. September 2001 hat der Kl. die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Die Änderung der ESt-Bescheide 1995 bis 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei rechtswidrig. Ein wirksamer Widerruf im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG seitens der von dem Kl. geschiedenen Ehefrau liege für die Streitjahre nicht vor. Es fehle an einem rechtzeitigen Zugang des Widerrufs vom 28. Dezember 1994 beim beklagten FA. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG sei der Widerruf vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten solle, gegenüber dem FA zu erklären. Als das FA könne im Streitfall lediglich das für die Einkommensbesteuerung des Kl. zuständige beklagte FA gelten, nicht aber das FA .... Die Widerrufserklärung sei dem beklagten FA aber erst im Veranlagungszeitraum 2000 zugegangen und daher für die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1998 verspätet. Das FA vertrete demgegenüber die Auffassung, dass der Widerruf gegenüber einem FA als rechtzeitiger Eingang der Widerrufserklärung gegenüber allen beteiligten FA gelte. Wäre diese Auffassung aber zutreffend, seien die Änderungsmöglichkeiten nach § 173 AO dennoch nicht gegeben, da der am 28. Dezember 1994 erklärte Widerruf dann als rechtzeitig bei dem beklagten FA eingegangen zu gelten habe. Schließlich überwiege auch der Vertrauensschutz des Kl.. Dieser habe von dem Widerruf keine Kenntnis gehabt. Er habe deshalb auf die Richtigkeit der ursprünglichen Steuerbescheide vertrauen und nicht mit Informationsdefiziten zwischen den beteiligten Finanzämtern rechnen können.
Der Kl. beantragt,
die ESt-Bescheide für 1995 bis 1998 jeweils vom 28. Dezember 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2001 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht die ESt-Bescheide für 1995 bis 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Entgegen der Auffassung des FA liegen diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Dabei kann der Senat es dahingestellt sein lassen, ob durch Übersendung des Widerrufs der Zustimmungserklärung vom 28. Dezember 1994 vom Finanzamt ... an das beklagte FA diesem im Jahr 2000 Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind. Denn jedenfalls führt der Widerruf der Zustimmungserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG nicht zu einer höheren Steuer des Kl. in den Streitjahren.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren maßgeblichen Fassung können Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten auf Antrag des Gebers mit Zustimmung des Empfängers bis zu 27.000 DM als Sonderausgaben abgezogen werden. Die Zustimmung des Empfängers ist bis auf Widerruf wirksam, wobei der Widerruf vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten soll, gegenüber dem FA zu e...