Entscheidungsstichwort (Thema)
Hohes Alter und geringes Einkommen keine Billigkeitsgründe bei fehlender Auswirkung eines Erlasses auf wirtschaftliche Existenz
Leitsatz (redaktionell)
Persönliche Gründe, wie hohes Alter, geringes Einkommen stellen keine Unbilligkeit dar, wenn ein Erlaß der Steuerschulden sich auf die wirtschaftliche Existenz nicht auswirkt
Normenkette
AO § 227
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage den Erlass seiner Steuerrückstände.
Der 1925 geborene Kläger ist verheiratet und Rentner. Er lebt überwiegend in Schleswig-Holstein, wohnt dort mietfrei und trägt lediglich die laufenden Kosten. Seine Ehefrau wohnt in Niedersachsen.
Der Kläger schuldet dem Finanzamt 1.869.360,72 €. Der Betrag setzt sich aus Einkommensteuern (ESt) und Kirchensteuern (KiSt) der Jahre 1974, 1977 bis 1988, Arbeitnehmersparzulage der Jahre 1981 bis 1983, Ergänzungsabgabe zur ESt und Stabilitätszuschlag zur ESt 1974, Vollstreckungsgebühren, Verspätungszuschläge zur ESt 1987, Zinsen gemäß § 237 Abgabenordnung (AO) zur ESt 1974 bis 1977 und 1983 sowie 1.087.316,93 € Säumniszuschläge zusammen (siehe im Einzelnen Übersicht in der Einspruchsentscheidung). Nach Aktenlage resultieren die Steuerrückstände im Wesentlichen aus der Umqualifizierung des vom Kläger früher geführten landwirtschaftlichen Betriebes in einen Liebhabereibetrieb (Behandlung als Liebhabereibetrieb ab 1980 mit der Folge der Aberkennung der Verlustabzüge für die Jahre ab 1980). Die Steuerschuld entfällt ausschließlich auf den Kläger (siehe dazu Aufteilung für die Jahre 1978 bis 1980; in den Folgejahren wäre eine entsprechende Aufteilung vorzunehmen). Die gegen den Kläger durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen blieben im Vergleich zur Höhe der steuerlichen Rückstände erfolglos. Es wurde lediglich der die Pfändungsfreigrenze überschreitende Betrag der Rente gepfändet.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2000 beantragte der Kläger, ihm die rückständigen Steuern zu erlassen, weil nach seiner Ansicht aufgrund des Alters und der absehbaren Einkommensentwicklung mit einer Tilgung der Steuerverbindlichkeiten nicht mehr gerechnet werden könne. Die Erlassbedürftigkeit ergebe sich aus der dem Finanzamt bekannten Einkommenssituation. Aufgrund seines Alters und des Umstandes, dass der Kläger seit Jahren nicht mehr beruflich tätig gewesen sei, werde sich daran mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts ändern. Seine Ehefrau sei ebenfalls im Ruhestand und beziehe lediglich ihre Beamtenpension. Er sei auch erlasswürdig, denn über Jahre hinweg sei der pfändbare Teil der Einkünfte zur Tilgung der Rückstände abgeführt worden.
In dem dem Kläger zugesandten Fragebogen bezifferte der Kläger seine monatlichen Einnahmen auf 896,63 € (Rentenbezüge) und die seiner Ehefrau mit 2.120,33 € (Pension) sowie 106 sfr Renteneinnahmen. Diesen Beträgen stünden Ausgaben für Versicherung, Kfz-Kosten, Radio/TV, Telefon, Rezepte, Strom und Zinsen in Höhe von 892,20 € gegenüber. Er erhalte auch keine Kredite. Neben den Steuerschulden wurden weitere Verbindlichkeiten von rund 5.112 € (Bankverbindlichkeiten aus Darlehen und laufendem Kontokorrentkredit) genannt. Von den Renteneinnahmen würden monatlich 141,50 DM vom Finanzamt gepfändet (siehe im Einzelnen Schriftsatz vom 27. Februar 2001 nebst Fragebogen zur Ergänzung des Erlassantrages mit Anlagen).
Der Antrag des Klägers wurde mit Verwaltungsakt vom 28. August 2001 zurückgewiesen. Das Finanzamt führte u.a. aus, dass eine Gefährdung der persönlichen Existenz des Klägers durch die Versagung eines Erlasses nicht eintreten könne, weil die Billigkeitsmaßnahme nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil verbunden wäre. Der Kläger genieße Pfändungsschutz, der eine Durchsetzung des Steueranspruchs ausschließe, so dass ein Erlass nur anderen Gläubigern zugute käme. Im Übrigen beziehe die Ehefrau des Klägers als pensionierte ... Einkünfte und besitze Grundeigentum, so dass die Existenz des Klägers nicht gefährdet sei.
Dagegen erhob der Kläger Einspruch und führte zur Begründung aus: Bei Abwägung aller Umstände und Berücksichtigung des Alters des Klägers und der Tatsache, dass er Erwerbseinkommen nie mehr erzielen werde, sei die ablehnende Entscheidung des Finanzamts ermessensfehlerhaft. Bei der Erlassbedürftigkeit könne nicht auf die Unterhaltsfähigkeit der Ehefrau des Klägers abgestellt werden. Der durch die Pfändung beitreibbare Betrag sei im Verhältnis zur Höhe der Steuerschulden unverhältnismäßig gering und reiche noch nicht einmal aus, die anfallenden Säumniszuschläge zu decken. Außerdem gäbe es mit Ausnahme des Finanzamts keine weiteren Gläubiger, die aus dem Wegfall der laufenden Pfändung profitierten. Hinzu komme, dass ab 2002 aufgrund der erhöhten Pfändungsfreigrenzen keine pfändbaren Beträge mehr eingezogen werden könnten.
Das Finanzamt gab dem Einspruch teilweise statt. Der Kläger sei seit Fälligkeit der Ansprüche nicht in...