Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitteilungspflichten. zeitweiliger Rechtsverlust. Sondervorteil
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anfechtung von Beschlüssen einer Hauptversammlung, die kurzfristig einberufen wurde, um gezielt den zeitweiligen Rechtsverlust eines Aktionärs auszunutzen, kann auf § 243 Abs. 2 AktG gestützt werden.
2. Das gezielte Ausnutzen ist als sittenwidrige Schädigung und als Verletzung der Treuepflicht anzusehen.
Normenkette
AktG §§ 20, 243, 245; BGB § 126
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 17.10.2006; Aktenzeichen 11 O 38/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin gegen das am 17.10.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG Lübeck - 11 O 38/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin als Hauptaktionärin und der Kläger als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft, begehren die Feststellung der Nichtigkeit sämtlicher am 25.3.2006 in einer Haupt-/Vollversammlung der Beklagten gefassten Beschlüsse, hilfsweise erklären sie die Anfechtung und ganz hilfsweise die Erledigung in der Hauptsache.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein von Herrn Klaus T. gegründetes mittelständisches Unternehmen aus O., das zunächst unter T. Schweißtechnik GmbH firmierte. Kl. T. war auch deren einziger Geschäftsführer. Nach Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurde er der alleinige Vorstand. Das Grundkapital betrug 512.000 EUR, aufgeteilt in 512.000 vinkulierte Namensaktien im Nennwert von je 1 EUR. Hiervon hielt T. direkt 81.290 Aktien und indirekt über die T. Beteiligungsgesellschaft mbH - die Streithelferin, die T. Verwaltungs GmbH und die Klaus T. GmbH weitere 302.080 Aktien.
Am 29.1.2001 vereinbarten die Klägerin zu 1. und die "Altaktionäre" der Beklagten, dass sich die Klägerin zu 1. an der Beklagten beteilige. Dies geschah durch eine Beteiligungsvereinbarung vom 29.1.2001 (Anlage K 1 im Anlagenheft) und einen Anteilskaufvertrag (Anlage K 2 im Anlagenheft). Mit letzterem erwarb die Klägerin zu 1. den einzigen Geschäftsanteil an der T. Verwaltungs GmbH, die ihrerseits 128.000 Aktien an der Beklagten hielt. Die T. Verwaltungs GmbH firmierte später in G. Industriebeteiligungs-GmbH um. Die Klägerin zu 1. und die T. Verwaltungs GmbH vereinbarten mit den Altaktionären in der Beteiligungsvereinbarung K 1 den Erwerb von 256.000 Aktien der Beklagten im Wege einer Kapitalerhöhung. Auf diese Weise erwarb die Klägerin zu 1. also direkt 256.000 Aktien der Beklagten und indirekt über den Erwerb der heutigen G. Industriebeteiligungs-GmbH weitere 128.000 Aktien der Beklagten. Sie hielt damit insgesamt 50 % der Aktien der Beklagten.
In § 5 Abs. 4 S. 1 der Beteiligungsvereinbarung wurde niedergelegt, dass sich die Vertragspartner darüber einig seien, dass die Klägerin zu 1. die unternehmerische Führung der Gesellschaft übernehmen solle, sobald Herr Klaus T. nicht mehr als Vorstand der Gesellschaft operativ tätig sei.
Am 31.1.2001 wurde eine neue Satzung beschlossen. Insoweit wird auf die Anlage K 12 im Anlagenheft Bezug genommen.
Entsprechend der 50%igen Beteiligung der Klägerin sowie der "Altaktionäre" entsandten diese jeweils 3 Mitglieder in den Aufsichtsrat.
Am 1.2.2001 wurde ein neuer Vorstandsdienstvertrag mit Herrn Klaus T., geschlossen. Wegen des Inhalts wird auf die Anlage K 11 im Anlagenheft Bezug genommen. In § 3 Ziff. 1. c) wurde eine 10%ige Tantieme vom körperschaftssteuerpflichtigen Gewinn vereinbart, fällig ein Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses.
Im September 2004 übte die Klägerin zu 1. aufgrund § 2 des Anteilskaufvertrages vom 29.1.2001 (K 2, S. 5) eine entsprechende Option aus. Es war für den Fall, dass sich im Nachhinein herausstellen würde, dass die Betriebsergebnisse in den Jahren 2000 bis 2003 nicht den Erwartungen entsprechen würden, eine nachträgliche Anpassung des Kaufpreises vereinbart worden. Diese sollte durch Ausübung eines Optionsrechts auf 46.080 Aktien erfolgen. Dementsprechend übte die Klägerin diese Option aus und ließ sich die Aktien zuweisen. Die "Altaktionäre" vertraten jedoch die Auffassung, dass die Ausübung des Optionsrechts unzulässig sei. Sie meinten, dass erst feststehen müsse, ob und ggf. in welcher Höhe ein zusätzlicher Kaufpreis für diese Aktien zu zahlen sei. Dies sei durch ein Schiedsgutachten zu ermitteln. Darüber wurde ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem LG Hamburg und in dem Berufungsrechtszug vor dem OLG Hamburg geführt. Es wurde im Rahmen einer Erledigungsfeststellung entschieden, dass die Klägerin zu 1. das Optionsrecht nicht habe ausü...