Leitsatz
1. Überentnahmen können nicht höher sein als der Überschuss der Entnahmen über die Einlagen (Anschluss an BFH-Urteil vom 3.3.2011, IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688).
2. Der Gewinnbegriff i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG umfasst auch Verluste (Bestätigung der BMF-Schreiben vom 22.5.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, 588, Rz. 11, 15 und vom 17.11.2005, IV B 2 – S 2144 – 50/05, BStBl I 2005, 1019, Rz. 11).
Normenkette
§ 4 Abs. 4a EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG. In den Jahren 1999 und 2000 verzeichnete der Kläger Verluste und Entnahmen. Im Jahr 2001 ermittelte er einen Verlust in Höhe von 350.000 EUR, tätigte Einlagen in Höhe von 370.000 EUR und Entnahmen in Höhe von 140.000 EUR. Für die Berechnung der Überentnahmen der Jahre 2002 ff. ermittelte das FA die zu übertragende Ausgangsgröße der Vorjahre zunächst durch Addition der Überentnahmen der Jahre 1999 und 2000. Die Einlagen des Jahres 2001 wurden nach Saldierung mit den Entnahmen vollständig mit dem laufenden Verlust des Jahres 2001 verrechnet; zu einer Minderung der vorausgegangenen Überentnahmen kam es damit nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 2.8.2010, 11 K 763/08 GF, Haufe-Index 2565631, EFG 2011, 516).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass zur Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG die Einlagen eines Jahres nach Saldierung mit den Entnahmen des Jahres zunächst mit den Verlusten dieses Jahres zu verrechnen seien.
Hinweis
1. Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Übernahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).
In dem vorliegenden Urteil bestätigt der X. Senat die folgenden Erkenntnisse des BFH zur Auslegung dieser nicht gerade leicht zu verstehenden Vorschrift.
2. Grundsätzlich umfasst der Gewinnbegriff des § 4 EStG – und damit auch des § 4 Abs. 4a EStG – positive wie negative Ergebnisse einer betrieblichen Betätigung. Demzufolge sind bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht nur Gewinne, sondern auch Verluste zu berücksichtigen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 7.3.2006, X R 44/04, BFH/NV 2006, 1393, BFHE 212, 501).
3. Aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 4 Abs. 4a EStG führen Verluste aber für sich genommen nicht zu Überentnahmen in dem jeweiligen Streitjahr. Eine Überentnahme kann damit nicht höher sein als die Entnahme.
4.Eine weitere Einschränkung der Berücksichtigung von Verlusten ist im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG jedoch nicht geboten. Grund ist, dass die Ausgestaltung des § 4 Abs. 4a EStG auf dem sog. Eigenkapitalmodell beruht. So wie Gewinne und Einlagen das dem Steuerpflichtigen für Entnahmen zur Verfügung stehende Eigenkapital mehren, wird dieses durch Verluste gemindert. Es ist daher folgerichtig, Verluste in die Berechnung von Überentnahmen und Unterentnahmen des jeweiligen Streitjahres einzubeziehen. Das gilt auch dann, wenn Einlagen getätigt wurden. Der X. Senat schließt sich damit ausdrücklich der vom IV. Senat in seinem Urteil vom 3.3.2011, IV R 53/07, BFH/NV 2011, 1414, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688 vertretenen Auffassung an.
5. Das bedeutet, dass im jeweiligen Wirtschaftsjahr die Einlagenüberschüsse dieses Jahres zunächst mit Verlusten dieses Jahres auszugleichen sind. Der jeweilige Differenzbetrag ist sodann mit den fortgeführten Vorjahreswerten zu verrechnen oder auf der Grundlage dieser Werte/Ansätze (formlos) fortzuschreiben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.2.2012 – X R 27/10