Leitsatz
1. Bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG für den Veranlagungszeitraum 2001 sind Unterentnahmen aus den Jahren vor 1999 außer Acht zu lassen. Die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. d. StÄndG 2001 gebietet, in dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand "0 DM" auszugehen.
2. § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
§ 4 Abs. 4a, § 52 Abs. 11 Satz 2 i.d.F. des StÄndG 2001 EStG, § 7 GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte gewerbliche Einkünfte. Zum 1.1.1999 betrug ihr Anfangskapital 500.000 DM. Für das Streitjahr 2001 wurden Überentnahmen i.H.v. 200.000 DM errechnet. Bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG berücksichtigte weder das FA noch das FG das Anfangskapital. § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 bewirke, dass für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand "0 DM" auszugehen sei. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 würden nicht geteilt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.1.2006, 10 K 99/03, Haufe-Index 1493561, EFG 2006, 1817).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass im Streitjahr bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zum 1.1.1999 von einem "Startkapital" von 0 DM auszugehen sei.
Hinweis
1. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG, mit der der Gesetzgeber das Zwei- oder Mehrkontenmodell abschaffen wollte, beschäftigt seit ihrer Einführung die Rechtsprechung. Das Problem dieses Urteils war die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001, nach der Über- und Unterentnahmen der vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahre unberücksichtigt bleiben. Dieser Satz war durch das StÄndG 2001 als Reaktion auf das Urteil des X. Senats vom 21.9.2005, X R 47/03 (Haufe-Index 1455558, BFH/NV 2006, 180) in das Gesetz eingefügt worden. Der X. Senat hatte entschieden, dass mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 – jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 – auch Unterentnahmen aus früheren Wirtschaftsjahren zu berücksichtigen seien.
2. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts und Telos der neuen Übergangsregelung ist nach Auffassung des BFH nunmehr allein entscheidend, ob in den nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahren Über- und Unterentnahmen getätigt wurden. In früheren Zeiträumen getätigte Über- und Unterentnahmen bleiben demgegenüber unberücksichtigt.
3. Diese Übergangsvorschrift benachteiligt unstreitig die Unternehmen, die zum 1.1.1999 mit einem positiven Anfangskapital, einem "Polster" an Unterentnahmen, in die Neuregelung der Begrenzung des Schuldzinsenabzugs gestartet sind. Dennoch konnte der X. Senat von der Verfassungswidrigkeit des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 nicht überzeugt werden.
4. Entscheidend für dieses Ergebnis war, dass der X. Senat dem Gesetzgeber im Fall der Einführung grundlegender Neugestaltungen einen großen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zuweist. Danach ist der Gesetzgeber auch berechtigt, die Anwendung der Neuregelung auf die im zeitlichen Geltungsbereich der neuen Normen verwirklichten Sachverhalte zu begrenzen. Da vor dem Hintergrund der Einführung einer neuen Konzeption zur Begrenzung des Schuldzinsenabzugs (Eigenkapitalmodell) § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 die Funktion hatte, einen klaren Schnitt zu ziehen und der Anwendung der Neuregelung nur neue Sachverhalte zugrunde zu legen, dürften Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre unberücksichtigt bleiben. Dass sich bei einer Neuregelung immer übergangsbedingte Zäsuren und stichtagsbedingte Härten ergeben könnten, sei in der Natur der Sache begründet; jede Neuregelung führe gegenüber der Altregelung zu einer Ungleichbehandlung.
5. Mit der "Startguthaben-Null-Regelung" seien nicht die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten worden. Diese Regelung wolle vielmehr gerade die Verhältnisse der Vergangenheit unberücksichtigt lassen und beabsichtige einen Neuanfang. Sie habe den legitimen Zweck, mit der Einführung der Neuregelung die Berechnung der nunmehr relevanten Über- und Unterentnahmen neu zu beginnen. Die völlige Systemumstellung sowie Gründe der Praktikabilität und der Gleichbehandlung rechtfertigten eine Zäsur zum Jahreswechsel 1998/1999.
6. Der Gesetzgeber habe durch die Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 auch keine bereits bestehende geldwerte Position des Steuerpflichtigen beeinträchtigt, da er nicht in eine bereits vorhandene geldwerte Position des Steuerpflichtigen eingegriffen habe.
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