Leitsatz
1. Beauftragt eine Gemeinde als Schulträger einen Gastronomieunternehmer (Kantinenwirt) mit der Ausgabe sog. Schulspeisung an die Schüler, kommen unterschiedliche Leistungsbeziehungen in Betracht:
Sind nach den Vereinbarungen die Schüler unmittelbar als Abnehmer der Verpflegung bestimmt, leistet der Gastronom an die Schüler als Leistungsempfänger.
Ist die Gemeinde nach den Vereinbarungen Empfängerin der Leistungen (die sie im eigenen Namen an die Schüler „weiterreicht”), sind zwei Leistungsbeziehungen hintereinandergeschaltet. Der Gastronom leistet an die Gemeinde, die Gemeinde leistet an die Schüler.
2. In beiden Fällen führt der Gastronom keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung zum allgemeinen Steuersatz aus, wenn zur Leistung gehört, daß er an die Essensteilnehmer neben den von ihm zubereiteten Speisen Geschirr und Besteck ausgibt und dieses sowie die vorhandenen Tische und Stühle nach den Mahlzeiten reinigt.
Sind die einzelnen Essensteilnehmer Leistungsempfänger, erhalten sie mit der Abgabe der Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr nach der EuGH-Rechtsprechung keine Lieferung, sondern eine Dienstleistung (sonstige Leistung) als „das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen”. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob Geschirr, Tische und Stühle nicht Eigentum des Kantinenwirts, sondern des Schulträgers sind. Bloße Lieferung von Nahrungsmitteln „zum Mitnehmen”, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 unterliegen würde, scheidet aus. Auf die Frage, ob i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG „besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden”, kommt es nicht an.
Ist die Gemeinde aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen Leistungsempfänger des Gastronomen, führt dieser eine sonstige Leistung an die Gemeinde aus, für die der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht vorgesehen ist. Auch in diesem Fall scheidet aufgrund der starken Dienstleistungselemente die Beurteilung als bloße „Lieferung” von Nahrungsmitteln (zur Weiterverteilung) aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.08.1998, V R 15/98
Hinweise:
Dieser Streitfall (und eine Reihe ähnlicher) ist eine (m. E. allerdings hochgespielte) Folge des EuGH-Urteils v. 2. 5. 1996, Rs. C-231/94 Faaborg Gelting Linien SA, UVR 1996 S. 169. Dieses erging zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bei Verpflegungsleistungen auf grenzüberschreitenden Beförderungsmitteln (Fährschiffe). Es bestimmte die Verpflegungsausgabe gemeinschaftsrechtlich als sonstige Leistungen (und nicht als Lieferung – wie in einer Reihe von Mitgliedstaaten) sofern der Umsatz sich nicht auf Nahrungsmittel zum „Mitnehmen” bezieht und keine Dienstleistungen ausgeführt werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten.
Der BFH versucht in dem Besprechungsurteil und anderen Folgeurteilen darzulegen, daß neben der relativ offenen Abgrenzung des EuGH zugunsten der Dienstleistung (sonstigen Leistung) die ziemlich diffizilen Kriterien zum „Verzehr an Ort und Stelle” nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und 3 UStG (jetzt a. F.) UStG meist keine Bedeutung mehr haben. Warum der Gesetzgeber mit den neuen Sätzen 4 und 5 zu § 3 Abs. 9 UStG, Art. 4 des Gesetzes v. 23. 6. 1998, BGBl 1998 I S. 1496, zwar zutreffend „die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle” als sonstige Leistung bestimmte, gleichwohl wieder die bisherigen Kriterien des o. g. § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 UStG „anhängte”, wird nicht recht klar. Zutreffende Umsetzung des Gemeinschaftsrechts wäre einfacher durch Übernahme der EuGH-Kriterien realisierbar gewesen.