Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 269
Ob die Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter bei der Ausgabe der Anteile eine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ausführt, war lange umstritten. Der BFH war früher regelmäßig – zuerst bei der Ausgabe von Anteilen an einer Publikumsgesellschaft – davon ausgegangen, dass die Gesellschaft mit der Ausgabe der Anteile eine steuerbare Leistung (unter den weiteren Voraussetzungen) ausführt, die aber nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei ist. Folge war, dass die Gesellschaft für damit im Zusammenhang stehende Kosten aus der Ausgabe der Anteile einen Vorsteuerabzug wegen § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG nicht vornehmen konnte. Später wurde dieses vom BFH auch auf die Einräumung einer atypischen stillen Beteiligung übertragen. Nachdem der BFH für den Fall, dass der Gesellschafter bei der Gründung einer Gesellschaft Wirtschaftsgüter, die bisher seinem Einzelunternehmen gedient hatten, in eine Personengesellschaft einbringt, entschieden hatte, dass eine steuerbare Leistung des Gesellschafters vorliegt, überwog offenbar die Auffassung, bei jeder Ausgabe von Anteilen an einer Personengesellschaft eine steuerbare und steuerfreie Leistung anzunehmen. Der BFH legte die Frage aber dem EuGH vor, da es ihm zweifelhaft erschien, weil die Aufnahme des Gesellschafters nicht aufgrund eines gegenseitigen Vertrags des Gesellschafters mit der Gesellschaft, sondern aufgrund eines Gesellschaftsvertrags der Gesellschafter untereinander erfolgt, sodass der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil bei einer am Zivilrecht orientierten Betrachtungsweise möglicherweise nicht von der Gesellschaft, sondern von seinen Mitgesellschaftern erhält.
Rz. 270
Der EuGH hat dazu entschieden, dass eine Personengesellschaft bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an den Gesellschafter keine Dienstleistung gegen Entgelt ausführt. Da es sich um keinen steuerbaren Umsatz handelt, kann sich folgerichtig auch keine Steuerbefreiung für diesen Umsatz ergeben, sodass der Vorsteuerabzug für mit der Ausgabe der Gesellschaftsrechte zusammenhängende Eingangsleistungen nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen sein kann. Der Vorsteuerabzug für die rechtliche Beratung der Gesellschaft anlässlich ihrer Gründung stellt allgemeine Kosten des Unternehmens dar und ist deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers verbunden. Dabei kann es im Ergebnis – aus Sicht der Gesellschaft – nicht darauf ankommen, ob der Gesellschafter seine Einlage im Rahmen einer Bareinlage oder einer Sacheinlage ausführt.
Rz. 271
Die Grundsätze gelten entsprechend bei der Ausgabe neuer Gesellschafteranteile bei einer Kapitalgesellschaft. So hat der EuGH entschieden, dass die Ausgabe neuer Aktien keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne darstellt und der Vorsteuerabzug für die verschiedenen Leistungen, die die Gesellschaft im Rahmen der Ausgabe der Aktien bezogen hat, grundsätzlich vorgenommen werden kann, wenn es sich bei den Umsätzen des Steuerpflichtigen um Umsätze handelt, die im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden und nicht vorsteuerabzugsschädlich sind. Zum Vorsteuerabzug vgl. Abschn. 15.21 UStAE und die Kommentierung zu § 15 UStG.
Rz. 272
Tritt ein neuer Gesellschafter später in eine bereits bestehende Gesellschaft ein oder werden neue Anteile an die Altgesellschafter ausgegeben (Kapitalerhöhung), gelten dieselben Grundsätze entsprechend. Aus Sicht des Gesellschafters kann dies zu einem steuerbaren Umsatz führen, wenn Gegenstände aus seinem Unternehmen eingebracht werden (Rz. 260f.). Die Gesellschaft führt mit der Ausgabe der Anteile aus ihrer Sicht keine steuerbare Leistung aus.