Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 454
Eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG liegt auch dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a S. 2 2. Alt. UStG). Dies entspricht auch Art. 19 MwStSystRL bzw. früher Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie. Die Regelung hat nur eine klarstellende Bedeutung, da die Einbringung eines gesamten Unternehmens oder eines Teilbetriebs schon nach § 1 Abs. 1a S. 2 1. Alt. UStG zu einem nicht steuerbaren Vorgang führt. Auch andere Formen der Übertragung von Unternehmen auf eine Gesellschaft können unter den weiteren Voraussetzungen zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung i. S. d. Vorschrift führen (z. B. bei Umwandlungen).
Rz. 455
Dass auch die "Einbringung" eines Unternehmens in eine Gesellschaft (sowie die anderen Formen der Übertragung einheitlicher Unternehmen) ebenfalls unter die Nichtsteuerbarkeit des § 1 Abs. 1a UStG fällt, ist Ergebnis des grundsätzlichen Vereinfachungsgedankens, der die Regelung des § 1 Abs. 1a UStG bzw. Art. 19 MwStSystRL trägt. Ohne eine solche Auslegung würde bei der Übertragung von Unternehmen oder Teilbetrieben auf eine Gesellschaft – im Regelfall gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten – die Frage des Leistungsaustauschs gestellt werden müssen. Da heute von einem Leistungsaustausch – tauschähnlicher Umsatz – ausgegangen werden müsste, würde sich die Frage der Ermittlung einer zutreffenden Bemessungsgrundlage stellen, die bei tauschähnlichen Umsätzen nach § 10 Abs. 2 S. 2 UStG besondere Schwierigkeiten bereitet, insbesondere bei einer Zusammenballung von verschiedenartigen übertragenen Teilen. Sacheinlagen eines Gesellschafters in eine Gesellschaft sind aber – soweit es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG handelt – steuerbar, soweit die Sacheinlage aus dem Unternehmen heraus erfolgt.
Rz. 456
Klassischer Fall der Einbringung nach § 1 Abs. 1a S. 2 2. Alt. UStG ist die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapital- oder Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dabei ist es unerheblich, ob ein (gewerblicher) Betrieb, ein Teilbetrieb oder eine freiberufliche (Teil-)Praxis in die Gesellschaft eingebracht wird. Auch die Überführung eines Vermietungsobjekts in eine Kapital- oder Personengesellschaft stellt unter den weiteren Voraussetzungen (wesentliche Betriebsgrundlagen müssen übergehen, Wesentlichkeit des Mietvertrags) eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung dar. Nicht von Bedeutung ist dabei, ob die Gesellschaft schon vorher bestanden hat, zum Zweck der Fortführung des Unternehmens gegründet wurde oder durch die Aufnahme von Gesellschaftern entsteht.
Rz. 456a
Keine Geschäftsveräußerung liegt aber vor, wenn ein Unternehmer einen bislang seinem Einzelunternehmen zugeordneten Gegenstand einer sein Unternehmen fortführenden Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, unentgeltlich zur Nutzung überlässt. Da er in seiner Person wegen der unentgeltlichen Überlassung keine unternehmerische Leistung mehr ausführt, aber auch keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, muss eine Entnahme dieses Gegenstands aus dem Unternehmen nach § 3 Abs. 1b UStG besteuert werden. Keine Entnahmebesteuerung müsste erfolgen, wenn der Gegenstand der Gesellschaft entgeltlich überlassen (vermietet) wird.
Rz. 457
§ 1 Abs. 1a S. 2 UStG gibt keine Definition von "Gesellschaft" vor. Grundsätzlich sind darunter jede Form der Personengesellschaft und jede Form der Kapitalgesellschaft zu fassen, soweit sie nach den Grundsätzen des § 2 UStG Unternehmereigenschaft innehaben. Dem Regelungszweck folgend müssen auch alle anderen Formen von Zusammenschlüssen darunter fallen, soweit sie Unternehmereigenschaft haben. Da es sich bei § 1 Abs. 1a S. 2 2. Alt. UStG (Rz. 454) sowieso nur um eine gesetzliche Klarstellung handelt, kann im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, ob die Übertragung eines Unternehmens auf einen unternehmerisch tätigen Verein oder eine unternehmerisch tätige juristische Person des öffentlichen Rechts (z. B. im Rahmen einer unternehmerischen Betätigung; Ausschluss des § 2b UStG) unter § 1 Abs. 1a S. 2 2. Alt. UStG "Einbringung in eine Gesellschaft" oder unter § 1 Abs. 1a S. 2 1. Alt. UStG "Übereignung an einen anderen Unternehmer" fällt.
Rz. 458
Die Regelung des § 1 Abs. 1a S. 2 2. Alt. UStG erfasst aber nur die Übertragung eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs in eine Gesellschaft. Bei einer Aufspaltung einer Kapitalgesellschaft kann deshalb keine Einbringung in eine Gesellschaft vorliegen. Ebenso ist bei der Realteilung von Personengesellschaften keine Einbringung in eine andere Gesellschaft gegeben. Soweit aber das übertragene Vermögen die Voraussetzungen eines gesondert geführten Betriebs erfüllt, kann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a S. 2 1. Alt. UStG vorliegen. Ob die übertragenen Vermögensteile einen begünstigten Teilbetrieb darstellen, ist jeweils im E...