Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 514
Neben der allgemeinen Definition der Begriffe "Inland" und "Ausland" enthält § 1 Abs. 2 UStG in S. 3 der Vorschrift noch eine allgemeine Feststellung, die eigentlich aus den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzes ableitbar wäre und deshalb nur klarstellenden Charakter hat: Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt.
Rz. 515
Der Aussagegehalt des § 1 Abs. 2 S. 3 UStG ist klar: Führt ein Unternehmer eine Leistung aus, deren Ort der Leistung nach den deutschen Rechtsvorschriften im Inland i. S. d. Gesetzes liegt, unterliegt der Umsatz der deutschen Umsatzbesteuerung. Die Staatsbürgerschaft eines Unternehmers ist für die Umsatzbesteuerung kein relevantes Kriterium. Dies gilt in gleichem Maße für einen in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen ("inländischen") Unternehmer wie auch für einen Unternehmer, der im Ausland ansässig ist bzw. ausländische Staatsbürgerschaft hat. Ist der Ort der Leistung, die von einem im Ausland ansässigen Unternehmer ausgeführt wird, nach deutschem Steuerrecht im Inland, liegt unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ein steuerbarer Umsatz vor; unerheblich ist, ob die Leistung auch nach den gesetzlichen Vorschriften des Steuerrechts des Sitzstaats des leistenden Unternehmers in Deutschland ausgeführt ist. Ob der leistende Unternehmer sich auch im Inland umsatzsteuerrechtlich registrieren lassen muss und Schuldner der USt wird, ergibt sich dann nach den weiteren Rechtsvorschriften des deutschen UStG, insbesondere nach § 13b UStG. Umgekehrt gilt dies aber auch: Führt ein im Inland ansässiger Unternehmer einen Umsatz aus, der nach deutschen Rechtsvorschriften nicht im Inland i. S. d. Gesetzes ausgeführt ist, unterliegt der Umsatz in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Besteuerung. Ob der Umsatz dann für den deutschen Unternehmer im Ausland zu einer Besteuerung herangezogen wird und wer dann im Ausland der Steuerschuldner wird, kann sich ausschließlich nach den dort geltenden Rechtsvorschriften richten – insoweit unterliegt ein deutscher Unternehmer für alle im Ausland ausgeführten Umsätze den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften. Dabei ist grundsätzlich zu prüfen, ob der Unternehmer nach den im Bestimmungsstaat geltenden Rechtsvorschriften einen der Umsatzbesteuerung unterliegenden Umsatz realisiert und wer dann in diesem Staat zum Steuerschuldner wird. Dies kann nie aus den deutschen Rechtsvorschriften abgeleitet werden.
Rz. 516
Aus § 1 Abs. 2 S. 3 UStG kann jedoch kein grenzüberschreitendes Prinzip abgeleitet werden, dass ein Umsatz nur in einem Staat der USt unterliegen kann. Soweit es keine Harmonisierung der Umsatzsteuer- bzw. Mehrwertsteuersysteme gibt, kann es zu einer Doppel- wie auch zu einer Nichtbesteuerung von grenzüberschreitenden Umsätzen kommen. Zumindest in der Europäischen Union ist es das erklärte Ziel, solche Doppel- oder Nichtbesteuerungen zu verhindern. Eine vollständige Harmonisierung der Rechtsvorschriften ist aber noch nicht erfolgt, sodass auch im Binnenmarkt geprüft werden muss, wer bei einem grenzüberschreitend ausgeführten Umsatz im Bestimmungsland zum Steuerschuldner wird. Nur in Teilbereichen ist hier (bisher) eine Harmonisierung realisiert worden.
Prüfung der Steuerschuldnerschaft
Unternehmer A aus Deutschland führt gegenüber einem Unternehmer aus Polen eine Rechtsberatungsleistung aus, der Leistungsempfänger tritt mit seiner USt-IdNr. aus Polen auf. Die Rechtsberatungsleistung ist nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt, der Umsatz ist damit in Deutschland nicht steuerbar, unterliegt aber in Polen der Besteuerung (Art. 44 MwStSystRL). Für den in Polen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz wird der Leistungsempfänger im Gemeinschaftsgebiet zwingend der Steuerschuldner (Art. 196 MwStSystRL). A muss sich damit nicht um die Besteuerung seines Umsatzes in Polen kümmern.
Unternehmer B aus Deutschland führt gegenüber einem Unternehmer aus Dänemark eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem in Dänemark belegenen Grundstück aus, der Leistungsempfänger tritt mit seiner USt-IdNr. aus Dänemark auf. Die Leistung ist nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG am Grundstücksort ausgeführt (sog. Belegenheitsprinzip) und damit in Deutschland nicht steuerbar. Der Umsatz ist aber in Dänemark steuerbar (Art. 47 MwStSystRL). Soweit keine Steuerbefreiung einschlägig ist, führt der Umsatz zur Entstehung einer dänischen USt. Wer Steuerschuldner in Dänemark wird, kann nicht aus dem deutschen UStG abgeleitet werden und ergibt sich auch nicht aus der MwStSystRL. Nach Art. 194 MwStSystRL können Mitgliedstaaten in diesen Fällen eine Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger regeln, müssen dies aber nicht tun. B muss damit nach dänischen Rechtsvor...