Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 18
Bis zum 31.12.2018 war nach Abs. 1 S. 2 a. F. Entgelt "alles, was der Leistungsempfänger aufwendete, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der USt". Der Begriff war weit auszulegen. Nicht nur alles, was der Leistungsempfänger selbst, sondern auch alles, was ein Dritter aufwendete, damit der Leistungsempfänger die Leistung erhielt, gehörte zum Entgelt. Umgekehrt war das, was der Leistungsempfänger gegenüber Dritten aufwendete, grundsätzlich nicht Teil eines Entgelts. Das konnte ausnahmsweise anders sein (Rz. 81 ff.). Der Aufwand konnte in Geld bestehen oder in Gegenständen und sonstigen Leistungen. In letzteren Fällen war jedoch, wenn Gegenstände oder sonstige Leistungen an den Leistenden gehen, ein Tausch oder ein tauschähnlicher Umsatz gegeben, dessen Bemessungsgrundlage sich nach § 10 Abs. 2 S. 2 UStG ergibt Bei der Auslegung des Abs. 1 war bis 31.12.2018 auch die vom UStG abweichende Formulierung in Art. 73 MwStSystRL zu berücksichtigen. Nach Art. 73 MwStSystRL ist Besteuerungsgrundlage "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferant oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger erhält."
Rz. 19
Maßgebend dafür, ob und in welchem Umfang der Leistungsempfänger etwas aufwendete, um die Leistung zu erhalten bzw. eine erhaltene Leistung abzugelten, war bis 31.12.2018 aus der Sicht des Leistungsempfängers, nicht dagegen aus der Sicht des Leistenden oder gar eines objektiven Dritten zu entscheiden. Dabei war nicht maßgebend, ob der Leistungsempfänger die vom Leistenden zu erbringende oder erbrachte Leistung – als Gegenleistung – annehmen wollte und ob er auf sie Wert legte oder nicht. Sogar ein durch schlüssiges Verhalten erkennbarer Verzicht auf Herausgabe des durch Geschäftsbesorgung Erlangten soll Entgelt oder Teil des Entgelts sein können.
Rz. 19a
Zum 1.1.2019 ist diese aus Sicht des Leistungsempfängers vorgenommene Definition des Entgelts durch eine an Art. 73 MwStSystRL angepasste unionsrechtskonforme Definition ersetzt worden. Nach dieser Änderung wird das Entgelt aus Sicht des leistenden Unternehmers her definiert und erfasst alles das, was er für die von ihm ausgeführte Leistung erhält oder erhalten soll. Ausdrücklich werden seitdem auch die Subventionen, soweit sie mit dem Preis für diese Umsätze zusammen hängen, mit in den Entgeltsbegriff einbezogen. Nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung soll mit dieser Umkehrung der Sichtweise keine materiell-rechtliche Veränderung verbunden sein, da bisher auch bei Anwendung der bisherigen Rechtsnorm eine Auslegung anhand der unionsrechtlichen Vorgaben erfolgt ist.
Rz. 20
Der Entgeltsbegriff des § 10 Abs. 1 UStG gilt sowohl für die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten als auch für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Für den Umfang des Entgelts ist allerdings letzten Endes stets die tatsächlich erhaltene Gegenleistung maßgebend, da auch bei Anwendung der Sollbesteuerung bei sich später ergebenden Abweichungen von dem, was der leistende Unternehmer erhalten soll, eine Anpassung über § 17 UStG (Änderung der Bemessungsgrundlage) erfolgt.
2.2.1.1 Ausgangspunkt Leistung
Rz. 21
Wichtigster Ausgangspunkt für das Entgelt ist die Leistung selbst. Zwischen Steueranspruch und Steuertatbestand ist zu unterscheiden, dass die Erbringung der Leistung, nicht aber die Entrichtung des Entgelts der Besteuerung unterliegt. Nur wenn und soweit eine Leistung zu erbringen oder erbracht worden ist, kommt ein Entgelt als Gegenleistung in Betracht. Fehlt ein Leistungsaustausch ganz, gibt es auch kein Entgelt für eine Leistung (Rz. 17a), das der Besteuerung unterliegt. Das ist z. B. der Fall, wenn zwei Unternehmer sich gegenseitig anlässlich ihrer Geburtstage jeweils Geschenke zukommen lassen. Dabei ist die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals "gegen Entgelt" mit dem im unmittelbaren Zusammenhang stehenden (nicht mehr: finalen, zweckgerichteten) Handeln § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und nicht § 10 Abs. 1 UStG zu entnehmen. Eine solc...