9.2.1 Verkauf
Rz. 108
Viele Betreiber von Altanlagen (Erwerb bis 31.12.2022), die Strom in das öffentliche Netz einspeisen, haben auf die (Nicht-)Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 2 UStG verzichtet (Option zur Regelbesteuerung). Sie haben die gesamte Anlage dem Unternehmensvermögen zugeordnet und dementsprechend den vollen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Anlage in Anspruch genommen. Dies war regelmäßig zulässig, weil der mithilfe der Fotovoltaikanlage erzeugte Strom nach den tatsächlichen Verhältnissen fast stets zu mindestens 10 % zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz genutzt wurde, sodass das Zuordnungsverbot nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG nicht griff. Die Zuordnungsentscheidung für im Jahr 2022 angeschaffte Fotovoltaikanlagen musste allerdings bis zur gesetzlichen Regelabgabefrist der USt-Jahressteuererklärung 2022 (2.10.2023) getroffen werden. Werden vor dem 1.1.2023 erworbene und zutreffend voll dem Unternehmensvermögen zugeordnete Fotovoltaikanlagen sowohl vor dem 1.1.2023 als auch danach vom bisherigen Betreiber an einen neuen Betreiber entgeltlich übertragen (verkauft), handelt es sich regelmäßig um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG. Dies ist insbesondere der Fall, wenn auch der Käufer den mit der Anlage erzeugten Strom gegen Entgelt (Einspeisevergütung) in das öffentliche Stromnetz einspeist, indem er z. B. in den Einspeisevertrag eintritt. Der Käufer tritt in einem solchen Fall an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a S. 3 UStG).
Der Verkauf selbst führt nicht zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Wenn der Verkauf innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraums des § 15a UStG von 5 Jahren (bei Auf-Dach-Fotovoltaikanlagen) bzw. von 10 Jahren (bei dachintegrierten Fotovoltaikanlagen) nach dem Erwerb erfolgt, muss ein die Kleinunternehmerregelung anwendender Käufer bzw. Beschenkter den vom Verkäufer in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Fotovoltaikanlage nach § 15a UStG anteilig an das Finanzamt zurückzahlen. Dies kann vermieden werden, wenn der Käufer seinerseits nach § 19 Abs. 2 UStG zur Regelbesteuerung optiert. In diesem Fall muss der Käufer den in das öffentliche Stromnetz eingespeisten Strom als Lieferung und den dezentral (privat) verbrauchten Strom als unentgeltliche Wertabgabe zum allgemeinen Steuersatz von 19 % versteuern. Die Verwaltung besteht nämlich darauf, dass auch nach dem 31.12.2022 in diesen Fällen wie bisher weiterhin grundsätzlich eine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern ist. Sobald der Vorsteuerberichtigungszeitraum von 5 bzw. 10 Jahren abgelaufen ist, kann der Käufer die Kleinunternehmerregelung anwenden, ohne dass dies nachteilige finanzielle Konsequenzen für ihn hat.
Rz. 109
Die Beurteilung der entgeltlichen Übertragung als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gilt auch für Fotovoltaikanlagen, die zusammen mit dem Gebäude veräußert werden, auf dem sie sich befinden. Die Steuerbefreiung für den Grundstücksverkauf nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG gilt nicht für den Kaufpreisanteil, der auf die mit veräußerte Fotovoltaikanlage entfällt, da die Lieferung der Fotovoltaikanlage nicht zu den Umsätzen gehört, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen.
Rz. 110
In der Literatur wird ein Steuersparmodell zur Diskussion gestellt, wonach beim Verkauf einer Altanlage eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vermieden wird und dementsprechend für die Lieferung ab 1.1.2023 der Nullsteuersatz zur Anwendung kommt. Der Käufer soll dann die gesamte erworbene Fotovoltaikanlage dem Privatvermögen zuordnen und die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Er bräuchte dann weder die Einspeisung in das öffentliche Netz noch die dezentrale (private) Nutzung des Stroms als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Allerdings befürchten die Verfasser selbst, dass das BMF eine andere Rechtsauffassung vertreten wird.
Rz. 111
Hierzu haben die Verfasser (Rz. 110) folgendes Beispiel gebildet:
"Ehefrau F betreibt seit 2021 eine 10 kW (peak) Anlage auf dem Dach des mit ihrem Mann M genutzten Einfamilienhauses. Der produzierte Strom wird teilweise in das öffentliche Netz eingespeist (30 %) und teilweise dezentral privat verbraucht (70 %). F hat die Anlage vollständig ihrem Unternehmensvermögen zugeordnet und auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, um die Vorsteuer aus der Anschaffung der Fotovoltaikanlage geltend machen zu können. Mit Wirkung zum 1.1.2023 veräußert F die Anlage an M. M setzt die Einspeisung in das öffentliche Netz fort und wird Betreiber der Anlage. Das Nutzungsverhältnis (70 % Privatnutzung, 30 % Einspeisung) ändert sich nicht.
M wird aufgrund der Einspeisung Unternehmer und führt auch die unternehmerische Tätigkeit von F in Form der entgeltlichen Einspeisung fort. Da M die Anlage jedoch gemischt nutzt, steht M ein Zuordnungswahlrecht zu (Abschn. 15.2c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. b S. 1 UStAE). Erklärt M, dass er die Anlage vollständig seinem umsatzsteuerlichen Privatvermögen...