4.51.1 Text der Vorschrift

 

Rz. 720

 
Lfd. Nr. Warenbezeichnung Zolltarif (Kapitel, Position, Unterposition)
51 Rollstühle und andere Fahrzeuge für Behinderte, auch mit Motor oder anderer Vorrichtung zur mechanischen Fortbewegung Position 8713

4.51.2 Entwicklung der Vorschrift

 

Rz. 721

Die vorstehende Fassung der Nr. 51 der Anlage 2 des UStG beruht im Wesentlichen auf der Neufassung der Anlage zur Anpassung an den Gemeinsamen Zolltarif durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung des UStG und der UStDV v. 7.3.1988[1] und gilt seit dem 1.1.1988 (Rz. 88f.).

Durch Art. 5 Nr. 36 Buchst. c des Steueränderungsgesetzes 2003 v. 15.12.2003[2] (Rz. 7) ist mWv 1.1.2004 lediglich die Bezeichnung "Kranke und Körperbehinderte" durch die Bezeichnung "Behinderte" ersetzt worden. Diese redaktionelle Anpassung an den aktuellen Zolltarif war ohne materiell-rechtliche Auswirkungen.

Die Vorschrift entspricht materiell-rechtlich der v. 1.1.1978 bis zum 31.12.1987 geltenden Fassung der Nr. 45 der Anlage des UStG.

Grundsätzliche Ausführungen der Verwaltung zur Abgrenzung der begünstigten Gegenstände nach Nr. 51 der Anlage 2 des UStG enthält das grundlegende BMF-Schreiben.[3]

 

Rz. 721a

Durch die Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze[4] ist das Unionsrecht mWv 6.4.2022 hinsichtlich der Anwendung ermäßigter Steuersätze umfassend neu gefasst worden. Den EU-Mitgliedstaaten ist ein größerer Spielraum eingeräumt worden, ermäßigte und stark ermäßigte Steuersätze oder Nullsteuersätze anzuwenden (§ 12 UStG Rz. 91 und 106i ff.). Unter anderem können die EU-Mitgliedstaaten ab dem 6.4.2022 Nullsteuersätze auf bestimmte medizinische Produkte für Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen anwenden. Laut Frage 19 einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung mit dem Titel "Neue Handlungsspielräume bei Umsatzsteuersätzen" (§ 12 UStG Rz. 106m) sollte sich die Bundesregierung unter anderem dazu äußern, ob sie beabsichtige, den USt-Satz auf medizinische Produkte für Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen abzusenken, ggf. auf welchen ermäßigten USt-Satz und welche Steuermindereinnahmen sich daraus ergeben würden. Die Bundesregierung antwortete, derzeit (Juli 2022) existiere keine Entscheidung der Bundesregierung, ob und in welchem Umfang eine Änderung der ermäßigten USt-Sätze initiiert werden soll.[5]

Die Steuermindereinnahmen aus einer Senkung des USt-Satzes für aktuell bereits ermäßigt besteuerte Umsätze wie Rollstühle und andere Fahrzeuge für Behinderte, Körperersatzstücke, orthopädische Apparate und andere orthopädische Vorrichtungen (siehe Nr. 51 und 52 der Anlage 2 des UStG) auf 0 % würden auf 0,4 Mrd. EUR jährlich geschätzt. Darüber hinaus lägen keine Bezifferungen vor.

[1] BGBl I 1988, 204, BStBl I 1988, 117.
[2] BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710.
[4] ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[5] Antwort der Bundesregierung v. 15.7.2022 auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 20/2833; siehe hierzu Widmann, UR 2022, 681.

4.51.3 Allgemeines

 

Rz. 722

Unter Nr. 51 der Anlage 2 des UStG fallen nur die zu Position 8713 des Zolltarifs gehörenden Rollstühle und ähnlichen Fahrzeuge für Behinderte mit oder ohne Motor. Es spielt keine Rolle, ob diese Fahrzeuge andere Vorrichtungen zur mechanischen Fortbewegung besitzen oder nicht. Die Fahrzeuge mit Vorrichtung zur mechanischen Fortbewegung werden i. d. R. entweder mithilfe eines Motors oder mit der Hand durch Hebel oder Kurbel fortbewegt. Die Rollstühle und anderen Fahrzeuge für Behinderte werden mit der Hand geschoben oder direkt mit den Händen durch Drehen der Räder fortbewegt.

 

Rz. 723

Motorisierte Fahrzeuge haben keine fest angebaute Karosserie und unterscheiden sich von vergleichbaren nicht begünstigten Fahrzeugen der Position 8703 des Zolltarifs im Wesentlichen durch das Vorhandensein nur eines Sitzes für eine Person, der zum erleichterten Ein- und Aussteigen drehbar sein kann, einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 6 Stundenkilometern als zügige Schrittgeschwindigkeit und einer leichten Handhabbarkeit der Steuer- und Bedienelemente. Hierzu gehören insbesondere rollstuhlähnliche Fahrzeuge mit Elektroantrieb, die ausschließlich der Personenbeförderung von Behinderten dienen. Das FG Düsseldorf hat entschieden, dass ein zweisitziges, geschlossenes, motorisiertes Fahrzeug mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 10 bis 25 Stundenkilometern, das im Regelfall mit Pedalen für Gas und Bremse ausgestattet ist und nur als Sonderanfertigung auf reinen Handbetrieb umgerüstet werden kann, nicht als Behindertenfahrzeug i. S. d. Nr. 51 der damaligen Anlage des UStG einzuordnen ist.[1]

 

Rz. 724

Unvollständige oder unfertige Rollstühle usw. gehören wie die entsprechenden vollständigen oder fertigen Rollstühle usw. zu der Position 8713 des Zolltarifs, wenn sie deren charakteristische Merkmale haben. Zerlegte vollständige und fertige od...

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