Rz. 10
Damit kann man die bereits am Rande des Gesetzgebungsverfahrens diskutierten Fälle der sog. Stundenhotels aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgrenzen: Die von diesen Betrieben üblicherweise angebotene stundenweise Überlassung von Räumen an Personen, damit diese in diesen Räumen sexuelle Leistungen gegen Entgelt ausüben oder empfangen können, betrifft nicht wirklich die Beherbergung von Personen in Wohn- oder Schlafräumen. Es handelt sich vielmehr um die entgeltliche Zurverfügungstellung von Räumen, in denen kurzfristig gewerbliche Leistungen erbracht oder entgegengenommen werden. Das unterscheidet sich von dem herkömmlichen Begriff der Beherbergung. So auch Abschn. 12.16 Abs. 5 UStAE sowie BFH v. 22.8.2013 zur Überlassung von Zimmern an Prostituierte in einem Bordell, denn die Raumüberlassung dient zusammen mit weiteren Dienstleistungen der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und nicht der Beherbergung. Abschn. 12.16 Abs. 2 UStAE spricht allerdings davon, dass bei Leistungen im Prostitutionsgewerbe die "Beherbergung nicht charakterbestimmend" sei, sodass offenbar seitens der Verwaltung doch eine, wenn auch für die Steuersatzfrage unerhebliche, Beherbergung bejaht wird.
Rz. 10a
Der BFH hat im Urteil v. 24.9.2015 hingegen entschieden, dass dann, wenn der Kunde einer Prostituierten, also nicht diese selbst, in einem Stundenhotel das Zimmer mietet, um darin die Leistungen der Prostituierten entgegenzunehmen, keine Beherbergungsleistung des Hotelbetreibers vorliege. Vielmehr soll die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG als Grundnorm für Grundstücksvermietungsleistungen greifen. Auf die Kurzfristigkeit der Zimmerüberlassung kommt es dann gar nicht an. Dieses Verständnis des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG i. V. m. § 4 Nr. 12 UStG ist abzulehnen, denn es negiert, dass es nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL für den Ausschluss der Steuerbefreiung für Grundstücksvermietungen genügt, dass eine Unterkunft kurzfristig zur Verfügung gestellt wird. Insofern ist die starke Fixierung des BFH auf die dem Begriff der Beherbergung im deutschen Sprachgebrauch innewohnende Servicebezogenheit nicht geboten. Sie führt zu einem vom Gesetzgeber gewiss nicht gewollten Ergebnis, das nach dem Gesetzeswortlaut keineswegs zwingend ist. Die Auffassung des BFH gipfelt letztlich in der Notwendigkeit zur Abgrenzung, ob ein Hotel eine Herberge ist. Das ist von Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL nicht gedeckt. Die subjektive Entscheidung des Mieters, wie er das von einem hotelartigen Betrieb entgeltlich zur Verfügung gestellte Zimmer nutzen will, ist in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht angelegt. Sie darf deshalb auf die Frage der Steuerbefreiung oder des Steuersatzes keinen Einfluss haben.
Rz. 10b
Folgt man dem BFH, kann es keinen Unterschied machen, ob die Prostituierte das Zimmer im Stundenhotel bestellt oder ihr Kunde. Insofern müsste die Verwaltung ihre bisherige Praxis ändern. Im Vollzug ist die Auffassung des BFH mühsam, denn im Fall des BFH gab es in dem sog. Stundenhotel auch Zimmer, die an Übernachtungsgäste ohne Bezug zum vom BFH für wichtig gehaltenen Rotlichtmilieu im Umfeld des Hotels für mehrere Tage vermietet wurden. Dann ist wegen der steuerfreien Umsätze an die "Stundengäste" und der steuerpflichtigen Vermietungen an die Gäste im klassischen Hotelbereich der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Als Aufteilungsschlüssel bieten sich dazu die jeweiligen Umsätze an.
Rz. 10c
Das BFH-Urteil v. 24.9.2015 provoziert auch die Frage, ob der Vermieter auf die Steuerbefreiung gem. § 9 UStG verzichten kann. Wenn, wie im Fall des BFH, der Kunde der Prostituierten das Zimmer mietet und dieses gleichsam zum Umsatz der Prostituierten außerhalb des Leistungsaustauschs beistellt, fehlt es an einem Bezug für ein Unternehmen, denn der Kunde empfängt die Leistungen der Prostituierten in seiner Privatsphäre. Mietet die Prostituierte selbst ein Zimmer, um darin ihr steuerpflichtiges Gewerbe auszuüben, wird man den Verzicht gem. § 9 Abs. 1 UStG dem Zimmervermieter nicht versagen können, denn der Ausschluss des Vorsteuerabzugs beim Kunden der Prostituierten gem. § 15 Abs. 1a UStG in den Fällen, in denen z. B. ein Unternehmer für seine Geschäftsfreunde die Leistungen der Prostituierten bestellt und bezahlt, steht der Anwendung des § 9 UStG beim Vermieter nicht entgegen. Diese Probleme gibt es bei der Steuerpflicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht. Schon diese Überlegungen zeigen, dass der BFH mit seinem Urteil vom 24.9.2015 eine unnötige Komplizierung herbeigeführt hat.