2.1.4.1 Inhalt und Tragweite der Vorschrift

 

Rz. 81

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG entsteht im Rahmen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Steuer in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts (Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen) vor Ausführung der Leistung oder Teilleistung gezahlt wird, bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Die Vorschrift enthält einen selbstständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand.[1]

 

Rz. 82

Gleichzeitig mit der Einführung der Mindest-Ist-Versteuerung hat der Gesetzgeber auch die Vorschriften über die Ausstellung von Rechnungen (§ 14 Abs. 1 S. 3 bis 5 UStG a. F.) und den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 UStG) an die Neuregelung angepasst. Dadurch wurde erreicht, dass gesondert ausgewiesene Steuerbeträge bereits dann als Vorsteuer abziehbar sind, wenn eine Rechnung über das vorher geleistete Entgelt vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist, ohne dass der Umsatz bereits ausgeführt worden sein muss (§ 15 UStG). Entstand die Steuer beim leistenden Unternehmer, ohne dass eine Rechnung erteilt worden war, weil das vereinnahmte Entgelt mehr als 10.000 DM betrug, so konnte der Leistungsempfänger nach § 14 Abs. 1 S. 3 und 4 UStG (a. F.) eine Rechnung i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 2 UStG (a. F.) verlangen.

 

Rz. 83

Die Regelung kollidiert z. T. mit der Regelung über den Entstehungszeitpunkt bei der Ist-Besteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b S. 1 UStG). Da es sich bei der Ist-Versteuerung von Anzahlungen usw. um eine Ausnahmeregelung handelt, die nur eingreift, wenn der Unternehmer seine Umsätze nicht nach § 20 UStG versteuert (§ 20 UStG), kommt sie dann praktisch nicht zum Zuge, wenn der Unternehmer seine Umsätze bereits generell nach vereinnahmten Entgelten versteuert.

2.1.4.2 Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 84

Die Vorschrift setzt voraus, dass das Entgelt bzw. Teilentgelt in Form von Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen, Vorschüssen o. Ä. vereinnahmt wird, bevor der Umsatz ausgeführt wird. Wird eine Leistung ausgeführt, bevor die mit einer Anzahlungs- oder Vorausrechnung angeforderte Zahlung eingeht, so muss die Versteuerung zum Zeitpunkt der Leistungsausführung vorgenommen werden und nicht erst im Zeitpunkt des späteren Zahlungseingangs. Das entspricht der Grundregel des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1 UStG.

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmer (Monatszahler), der seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, liefert eine Ware zum Preis von 100.000 EUR + 19 % USt. Er fordert mit einer Vorausrechnung den vollen Betrag von 119.000 EUR im März an, erhält diesen Betrag aber erst im September. Die Ware liefert er bereits im April. Die USt entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums April.

 

Rz. 85

Da die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG einen selbstständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand enthält, müssen vom vormaligen Organträger versteuerte Anzahlungen für Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft abschließend erbracht werden, bei der Steuerfestsetzung gegenüber der vormaligen (jetzt selbstständigen) Organgesellschaft berücksichtigt werden. Andernfalls käme es im Umfang der bereits versteuerten Leistungen zu einer Doppelbesteuerung.[1]

 

Rz. 86

Eine Vereinnahmung des Entgelts oder Teilentgelts liegt vor, wenn es dem Unternehmer in der Weise zugeflossen ist, dass er wirtschaftlich darüber verfügen kann. Auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung kommt es genauso wenig an wie auf die Fälligkeit der Entgeltforderung. Die Steuer entsteht nur insoweit, als ein Entgelt bzw. Teilentgelt tatsächlich vereinnahmt worden ist, und zwar auch dann, wenn das im Voraus vereinnahmte Entgelt bzw. Teilentgelt niedriger ist als in der Rechnung angegeben.[2]

 

Rz. 87

Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen usw. führen nur dann zur Entstehung der Steuer, wenn sie für eine (nach Art, Umfang und Zeitpunkt) bestimmte oder zumindest bestimmbare Leistung entrichtet werden.[3] Fehlt es dagegen bei der Vereinnahmung der Zahlung noch an einer konkreten Leistungsvereinbarung, kann u. U. eine bloße Kreditgewährung vorliegen. Aus den Umständen des Einzelfalls (z. B. bei dauernder Geschäftsverbindung mit regelmäßig sich wiederholenden Aufträgen) kann sich ergeben, dass es sich gleichwohl um eine Anzahlung auf eine künftige Leistung handelt, die zur Entstehung der Steuer führt.[4] Eine Kreditgewährung wird man dann annehmen müssen, wenn die Zahlung durch den Empfänger zu verzinsen ist.[5]

 

Rz. 88

Kommt es nicht zur Ausführung der vereinbarten Leistung, ist die Anzahlungsbesteuerung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG insoweit zu berichtigen, als das Entgelt (die Anzahlung) tatsächlich zurückgezahlt wird.[6] Steht allerdings im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung bereits fest, dass die vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht wird oder werden kann, so findet die Anzahlungsbesteuerung keine Anwendung. Die Anzahlung ist in diesem Fall eine nicht...

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