Rz. 87
Eine Änderung der Verhältnisse i. S.v. § 15a UStG kann sich auch daraus ergeben, dass Rechtsänderungen nach dem Leistungsbezug eintreten, die sich auf die Beurteilung des Vorsteuerabzugs auswirken. Dies ist insbesondere bei Wegfall oder Einschränkung von Steuerbefreiungen oder bei der Einführung neuer Steuerbefreiungen durch Gesetzesänderung der Fall (Abschn. 15a.2 Abs. 2 Nr. 5 UStAE). Auch eine Änderung der Vorsteueraufteilungsmethode kann zu einer Änderung der Verhältnisse führen. Eine Änderung der Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung kann hingegen grundsätzlich keine Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG auslösen (vgl. aber Rz. 91).
a) Wegfall von Steuerbefreiungen
Rz. 88
Der Wegfall von Steuerbefreiungen, die den Vorsteuerabzug ausgeschlossen haben, bewirkt bei gleich bleibender tatsächlicher Verwendung eine Änderung der Verhältnisse zugunsten des Unternehmers; der bisher nicht abziehbare Teil der Vorsteuer wird abziehbar.
b) Einführung von Steuerbefreiungen
Rz. 89
Die Einführung von Steuerbefreiungen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, bewirkt bei gleich bleibender tatsächlicher Verwendung eine Änderung der Verhältnisse zuungunsten des Unternehmers; der Vorsteuerabzug für das nunmehr steuerfrei verwendete Wirtschaftsgut ist anteilig zu berichtigen.
Beispiele:
- steuerfreie Leistungen von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung zur ambulanten Pflege kranker und hilfebedürftiger Personen (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG) ab 1.1.1992 (§ 4 Nr. 16 UStG Rz. 14f.);
- weitere Einschränkung der Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung insbesondere bei Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zu verzichten (§ 9 Abs. 2 UStG) ab 1.1.1994 (zur Übergangsregelung vgl. § 27 UStG Rz. 19).
c) Änderung der Vorsteueraufteilungsmethode
Rz. 90
Die aufgrund einer Gesetzesänderung neu eingeführte Vorsteueraufteilungsmethode kann zu einer Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 15a UStG führen, wenn sich dadurch ein gegenüber dem Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs geändertes Aufteilungsverhältnis ergibt. So kann sich eine Änderung des Verhältnisses dadurch ergeben, dass gem. § 15 Abs. 4 S. 3 UStG mWv 1.1.2004 die Umsatzschlüsselmethode nur noch in Ausnahmefällen als Vorsteueraufteilungsmethode zugelassen ist (§ 15 UStG Rz. 402). Ansonsten ist der einmal gewählte (sachgerechte) Aufteilungsmaßstab, dem ein bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheid zugrunde liegt, auch dann für die Dauer des Vorsteuerberichtigungszeitraums bindend, wenn noch andere (sachgerechte) Aufteilungsmethoden in Betracht kämen. Die Bindung an den einmal gewählten (sachgerechten) Aufteilungsschlüssel wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Unternehmer bei der Ermittlung des Aufteilungspotenzials selbst nicht "sachgerecht" verfahren ist.
d) Änderung der Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung
Rz. 91
Eine Änderung der Rechtsauffassung seitens der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung zu Fragen der Steuerpflicht bzw. -freiheit von Umsätzen kann – bei gleich bleibender Verwendung – nicht zur Anwendung des § 15a UStG führen, da sich die Verhältnisse nicht i. S. v. § 15a UStG geändert haben. Bei Änderungen der Rechtsprechung kommt eine Korrektur des danach im Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs unzutreffend vorgenommenen Vorsteuerabzugs grundsätzlich nur durch eine Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung nach den Änderungsvorschriften der AO in Betracht (Rz. 20). Das Gleiche gilt bei Änderungen der Verwaltungsauffassung. Durch eine Änderung der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung kann aber aufgedeckt werden, dass die bisherige Beurteilung im Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs fehlerhaft war. Das eröffnet u. U. die Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung für die Folgejahre (Rz. 93, Rz. 190).
Rz. 92
e) Nachträgliche Berufung auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht
Nach der Rechtsprechung des BFH erfasst § 15a UStG auch den Fall, dass Verwendungsumsätze, die nach nationalem Recht infolge fehlender oder nicht zutreffender Umsetzung von Unionsrecht steuerpflichtig sind, innerhalb des Berichtigungszeitraums aufgrund der Berufung des Steuerpflichtigen auf das Unionsrecht als steuerfreie Umsätze zu behandeln sind. Gleiches muss auch gelten, wenn sich der Steuerpflichtige beim Leistungsbezug auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht beruft, später aber wieder die Steuerpflicht wählt.