Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 42
Leistungen der Gesellschaft an den beteiligten Gesellschafter können grundsätzlich steuerbare Leistungen der Gesellschaft sein, soweit sie Unternehmereigenschaft besitzt oder auch erst durch diese Leistungen erlangt. Werden diese Leistungen gegen ein gesondert berechnetes Entgelt im Inland ausgeführt, liegen steuerbare Umsätze vor, die – soweit keine Steuerbefreiung anzuwenden ist – zu einer USt führt. Eine Personenvereinigung kann auch dann steuerbare Leistungen ausführen, wenn sie nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Ob der Gesellschafter für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung ein angemessenes Entgelt aufwendet oder nicht, ist nicht Gegenstand der Prüfung des Leistungsaustauschs, kann aber zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage (Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG) führen. Ob der Gesellschafter die Leistung seinerseits für unternehmerische Zwecke empfängt oder für seinen privaten Bereich verwendet, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung auf der Seite der die Leistung ausführenden Gesellschaft unbeachtlich.
Rz. 43
Damit ein entgeltlicher Umsatz zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vorliegt (i. S. eines unmittelbaren Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung), genügt es nicht schon, dass die Mitglieder der Personenvereinigung lediglich gemeinschaftlich die Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung eines Wirtschaftsguts tragen, das sie gemeinsam nutzen wollen oder tatsächlich nutzen. Eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit der Gesellschaft kann nur dann vorliegen, wenn die Nutzungsüberlassung selbst gegen Entgelt erfolgt.
Rz. 44
Die Gesellschaft kann gegenüber ihren Mitgliedern/Gesellschaftern aber auch unentgeltliche Leistungen (ohne gesondert berechnetes Entgelt) ausführen, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b UStG (unentgeltlich ausgeführte Lieferungen) oder des § 3 Abs. 9a UStG (unentgeltlich ausgeführte sonstige Leistungen) zu steuerbaren Leistungen führen können, wenn die Gesellschaft aufgrund ihrer weiteren Tätigkeit wirtschaftlich tätig ist und deshalb Unternehmereigenschaft inne hat. Typische Fälle solcher unentgeltlichen Leistungen gegenüber den Gesellschaftern sind die Abgabe von dem Vorratsvermögen zugeordneten Gegenständen an die Gesellschafter oder die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit von Firmenfahrzeugen durch Gesellschafter. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH nicht, wenn der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine dem Grunde nach unentgeltliche Leistung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG zu verwenden. In diesem Fall ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und die unentgeltliche Leistung unterliegt – da nicht in dem Bereich seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeführt – nicht der USt.
Rz. 45
Die Leistungen, die die Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern/Gesellschaftern erbringt, können aber auch nicht steuerbare Leistungen darstellen, wenn kein gesondert berechnetes Entgelt von den Mitgliedern/Gesellschaftern aufgewendet wird, sondern sie nur sog. echte Mitgliederbeiträge aufwenden. In diesem Fall wird die Vereinigung/Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern nicht als Unternehmer tätig. Ob es sich um einen echten Mitgliederbeitrag handelt, ist immer im Einzelfall zu bestimmen. Die Beurteilung der echten Mitgliederbeiträge ist insbesondere bei der Unternehmereigenschaft und dem Umfang der Unternehmen von Vereinen von Bedeutung. Soweit ein Verein seine satzungsgemäßen Vereinszwecke den Mitgliedern gegenüber im Rahmen solcher echter Mitgliederbeiträge ausführt, soll nach nationaler Auffassung die Unternehmereigenschaft nicht vorliegen. Diese – auf der mehr als 50 Jahre alten Rechtsprechung des BFH beruhende – Rechtsfolge ist (zumindest so pauschal) mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar (Rz. 158).