Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 400
Nach § 4 Abs. 1 KStG muss die Tätigkeit wirtschaftlich herausgehoben sein, damit die jPöR einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten kann. Eine gesetzliche Definition des Begriffs liegt jedoch nicht vor. Die FinVerw sieht (ertragsteuerrechtlich) eine wirtschaftlich herausgehobene Tätigkeit dann an, wenn sie von einigem Gewicht sei. Dafür war seit Jahren fast unverändert eine feste Umsatzgröße von 30.678 EUR herangezogen worden (R 6 Abs. 5 KStR 2004); durch R 4.1 Abs. 5 KStR 2015 ist diese Grenze ertragsteuerrechtlich auf 35.000 EUR und durch R 4.1 Abs. 5 KStR 2022 auf 45.000 EUR festgesetzt worden. Dieser Jahresumsatz wird dabei abgeleitet von der Definition des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, kann aber nach der Systemänderung zum 1.4.1999 (Wegfall des Eigenverbrauchstatbestands und Einbeziehung der unentgeltlichen Umsätze in den § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) nur die Umsätze umfassen, die die jPöR gegenüber fremden Dritten ausführt (Rz. 394). Wenn diese Umsatzgrenze im Einzelfall nicht erreicht werden sollte, kann nur noch in besonderen Fällen von einer wirtschaftlich herausgehobenen Tätigkeit ausgegangen werden. Ein solcher besonderer Grund wird in einer Wettbewerbssituation mit anderen – privatrechtlich organisierten – Unternehmern gesehen. Nicht näher ausgeführt wird dabei, ob es sich um eine tatsächliche oder eine potenzielle Wettbewerbssituation handeln muss. Dem Unionsrecht folgend, muss hier eine potenzielle Wettbewerbssituation ausreichend sein, um eine wirtschaftlich bedeutende Tätigkeit zu begründen, diese potenzielle Wettbewerbssituation darf aber nicht nur rein hypothetisch sein (Rz. 377). Dies entspricht dann im Ergebnis auch den Vorgaben des Unionsrechts sowie der Rechtsformneutralität des Umsatzsteuergesetzes.
Rz. 401
Grundsätzlich ist die Ableitung einer wirtschaftlich herausgehobenen Tätigkeit von einer allgemeinen Umsatzgrenze nicht überzeugend. Der BFH hatte zutreffend festgestellt, dass die absolute Höhe des Umsatzes eine zu große Verallgemeinerung darstellt: "So kann eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit einer kleinen Gemeinde den Wettbewerb empfindlich stören, während die gleiche Tätigkeit im selben Umfang im Gebiet einer Großstadt für die privatwirtschaftliche Konkurrenz bedeutungslos ist. Der Maßstab einer festen Umsatzgrenze vernachlässigt auch den für die Wettbewerbslage wesentlichen Umstand, dass die Preisgestaltung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sozialen Rücksichten unterliegt und deshalb regelmäßig von einer Zurückhaltung geprägt ist, die einem privaten Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Aus niedrigen Jahresumsätzen der wirtschaftlichen Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts kann deshalb kein zuverlässiger Schluss auf das Ausmaß der Marktbeeinflussung gezogen werden." Nachdem der BFH 1989 entschieden hatte, dass Gewinn- oder Umsatzgrenzen keine geeigneten Kriterien zur Bestimmung der Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 UStG sind, kommt den ertragsteuerrechtlichen Umsatzgrenzen im Umsatzsteuerrecht keine Bedeutung mehr zu, obwohl die FinVerw nach Abschn. 2.11 Abs. 4 UStAE immer noch "einheitlich" darüber entscheiden möchte. Mittlerweile scheint umsatzsteuerrechtlich geklärt, dass die sich aus dem Ertragsteuerrecht abgeleitete Umsatzgrenze in Ermangelung einer unionsrechtlichen Grundlage für die USt keine Bedeutung hat. Warum die FinVerw dennoch nach der eindeutigen Rechtsprechung des BFH – der wiederholt seit 1979 auf die Nichtvereinbarkeit der starren Umsatzgrenzen mit dem Umsatzsteuerrecht hingewiesen hatte – bei der Anwendung der Regelung des § 2 Abs. 3 UStG immer noch an der Verknüpfung mit den ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen festhält, kann wohl nur mit dem Abwarten auf die Neuregelung des § 2b UStG begründet werden. Nachdem die FinVerw auch weiterhin die Anwendung der Rechtsprechung des BFH – gegen den Willen der jPöR – nicht vornimmt, soweit die Unternehmereigenschaft noch in der wahlweisen Übergangsregelung des § 27 Abs. 22 UStG nach § 2 Abs. 3 UStG beurteilt wird, können die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Grundsätze nur unter der Anwendung des § 2b UStG realisiert werden.