Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 23
Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber für die Umsetzung der Vereinfachungsregel enge Grenzen aufgegeben. Es dürfen nur für Unternehmer, bei denen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd gleiche Verhältnisse vorliegen, Durchschnittssätze festgelegt werden. Darüber hinaus dürfen die Unternehmer nicht zur Führung von Büchern verpflichtet sein und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse machen.
Rz. 24
Da es sich im Kern um eine Vereinfachungsregel für kleinere Unternehmer handelt, ist der Kreis der zur Anwendung berechtigten Unternehmer darüber hinaus durch eine vom Verordnungsgeber umgesetzte Umsatzgrenze in § 69 Abs. 3 UStDV eingeschränkt worden.
2.1 Keine Buchführungspflicht
Rz. 25
Der Unternehmer darf nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Führung von Büchern verpflichtet sein. Die Verpflichtung zur Führung von Büchern kann sich sowohl aus handelsrechtlichen Grundsätzen als auch aus Vorschriften der Abgabenordnung ergeben.
Rz. 26
Nach handelsrechtlichen Grundsätzen ist der Kaufmann nach § 238 i. V. m. § 1 Abs. 2 HGB nach der Reform des HGB zum 1.7.1998 zur Führung von Büchern verpflichtet, es sei denn, dass sein Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Alternativ ist eine Buchführungsverpflichtung auch dann gegeben, wenn nach § 2 HGB die Firma des Unternehmers in den Fällen, in denen ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht vorhanden ist, in das Handelsregister eingetragen ist. Eine gesetzliche Buchführungspflicht ergibt sich auch bei Kapitalgesellschaften. Da die handelsrechtliche Buchführungspflicht kraft Gesetzes entsteht, kommt es in diesen Fällen nicht darauf an, ob der Unternehmer tatsächlich Bücher führt. Allein aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung scheidet er aus dem Kreis der anwendungsberechtigten Unternehmer aus.
Rz. 27
Die Verpflichtung zur Führung von Büchern kann sich aber auch aus abgabenrechtlichen Vorschriften ergeben. So ist nach § 141 Abs. 1 AO der gewerbliche Unternehmer zur Führung von Büchern und zur Aufstellung von Abschlüssen aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen verpflichtet, wenn der Umsatz mehr als 600.000 EUR (ohne steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG) im Kj. übersteigt oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb mehr als 60.000 EUR im Kj. übersteigt. Für Land- und Forstwirte ergibt sich danach eine Buchführungspflicht, wenn der Wert der selbstbewirtschafteten Flächen einen Wirtschaftswert von mehr als 25.000 EUR übersteigt oder der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft mehr als 60.000 EUR im Kj. übersteigt. Freiberufliche Unternehmer können nach § 141 AO nicht zur Führung von Büchern verpflichtet sein.
Rz. 28
Da sich die Buchführungspflicht nach § 141 AO nach der ausdrücklichen Regelung in § 141 Abs. 2 AO erst dann ergibt, wenn die Finanzbehörde den Unternehmer auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat, kann allein aus dem Überschreiten der Grenzen noch keine Nichtanwendbarkeit der Durchschnittssätze nach § 23 UStG abgeleitet werden. Erst ab dem Beginn des auf die Mitteilung des FA folgenden Kalenderjahrs wäre dann die Anwendung der Durchschnittssätze für den betreffenden Unternehmer nicht mehr möglich.
2.2 Umsatzgrenze zur Anwendung der Durchschnittssätze
Rz. 29
Nach § 69 Abs. 3 UStDV darf ein Unternehmer, der im vorangegangenen Kj. einen Umsatz von mehr als 61.356 EUR erzielt hat, die Durchschnittssätze nicht in Anspruch nehmen. Bezug genommen wird bei der Frage der Umsatzgrenze auf die Definition des Umsatzes nach § 69 Abs. 2 UStDV. Zu den Einzelheiten bezüglich der Ermittlung der maßgeblichen Umsatzgrenze vgl. Rz. 62f. Eine einheitliche, für alle Unternehmen geltende Umsatzgrenze wurde erst zum 1.1.1980 mit Einführung der UStDV und der Übernahme der Detailregelungen zur Durchschnittssatzbesteuerung in die UStDV mit aufgenommen. Vor dem 1.1.1980 wurde auf den Gesamtumsatz (des gesamten Unternehmens) abgestellt, wobei es für bestimmte Unternehmer unterschiedliche Gesamtumsatzgrenzen gab. Seit der Umstellung auf die Umsatzgrenze in § 69 Abs. 3 UStDV hat sich diese wie folgt entwickelt:
Zeitraum |
Umsatzgrenze nach § 69 Abs. 3 UStDV |
1.1.1980 bis 31.12.1992 |
100.000 DM |
1.1.1993 bis 31.12.2001 |
120.000 DM |
seit dem 1.1.2002 |
61.356 EUR |
Rz. 30
Wird...