Rz. 29
Als Rechtsfolge des inkriminierten Wissens ordnet § 25f Abs. 1 UStG die Versagung folgender Rechte an:
- Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 i. V. m. § 6a UStG;
- Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG, das sind die Vorsteuern aus steuerpflichtigen Vorbezügen von anderen Unternehmern;
- Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG, das ist der Vorsteuerabzug aus der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für das Unternehmen, wenn der Erwerb nach § 3d S. 1 UStG im Inland bewirkt wird;
- Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG, das ist der Vorsteuerabzug aus Leistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG. Dabei handelt es sich um Leistungen, bei denen sich die Steuerschuld auf den Unternehmer als Leistungsempfänger verlagert hat.
Die Versagung des Vorsteuerabzugs betrifft außerdem die in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG auch erwähnten Vorsteuern aus Anzahlungen, wenn die Zahlung geleistet worden ist.
Rz. 30
Die Steuerbefreiung und der Vorsteuerabzug sind "zu versagen". Dabei ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, wer dies zu tun hat. Weil z. B. in § 15 Abs. 1a UStG formuliert wird "Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge ..." und in § 15 Abs. 2 UStG es heißt "Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer ..." und damit klar ist, dass dies immer gilt und vom Unternehmer zu beachten ist, kann die Formulierung "Ist zu versagen" nur so verstanden werden, dass dies allein von einer Finanzbehörde angeordnet werden kann. Der Unternehmer selbst ist an dieses absolute Gebot nicht gebunden. Ihn spricht die Norm gar nicht an. Aus der in Rz. 6 ff. aufgeführten Rechtsprechung des EuGH kann auch nicht entnommen werden, dass der Unternehmer sich selbst etwas zu versagen hätte. Abschn. 25f UStAE geht offenbar auch wie selbstverständlich davon aus, dass immer erst die Verwaltung die Versagung auszusprechen hat. Der Auffassung von Pflaum, dass der Unternehmer wegen des Geltungsanspruchs von EuGH-Entscheidungen für alle Rechtsunterworfenen verpflichtet sei, von sich den Vorsteuerabzug nicht vorzunehmen oder die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht in Anspruch zu nehmen wegen seiner einschlägigen Kenntnisse von den Hinterziehungsmachenschaften seiner Geschäftspartner, ist daher abzulehnen. Sie wäre auch völlig unpraktikabel. Nur im Sonderfall des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gilt gem. § 25f Abs. 2 UStG ein Vorsteuerabzugsverbot (s. unten Rz. 30a). Damit kann der Unternehmer also warten, bis die zuständige Finanzbehörde ihm, ggf. nach einer Fahndungsprüfung bei einem seiner Vorunternehmer oder Kunden, mitteilt, dass der von ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht anerkannt wird aus den Gründen des § 25f UStG. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass die Norm mit dieser Anwendungsschwelle erhebliche Vollzugsprobleme birgt.
Rz. 30a
§ 25f Abs. 2 UStG bringt aber mit der Anordnung, dass § 25b Abs. 5 UStG bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften nicht gilt, in den Fällen des § 25 Abs. 1 UStG ein Vorsteuerabzugsverbot, das der letzte Abnehmer im Dreiecksgeschäft gem. § 25b UStG von sich aus zu beachten hat. Es bedarf in diesem Sonderfall also nicht erst einer Versagung des Vorsteuerabzugs durch das FA.
Rz. 31
Bei den subjektiven Voraussetzungen in der Person des Unternehmers, um dessen Vorsteuerabzug es geht, ist andererseits eine andere Regelung kaum möglich, denn wenn der Unternehmer verpflichtet wäre, von sich aus den Vorsteuerabzug wegen seiner Kenntnisse über die strafbaren Handlungen seiner Vor- und Nachunternehmer zu unterlassen, gäbe es in den nicht seltenen Fällen, in denen der Unternehmer Mittäter oder Gehilfe der Taten der anderen Beteiligten ist, einen Konflikt mit dem Grundsatz, dass niemand verpflichtet werden kann, sich selbst zu beschuldigen (sog. Nemo-tenetur-Grundsatz – "nemo ipse accusare tenetur". Denn mit der Nichtgeltendmachung des Vorsteuerabzugs z. B. aus einem Leistungsbezug oder mit der Nichtinanspruchnahme der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung gäbe der Unternehmer dem Finanzamt zu erkennen, dass er ein Wissen gem. § 25f UStG hat, das die Frage nach seiner eigenen Rolle in den Geschäftsbeziehungen zu den in § 25f UStG genannten Personen nahelegt.
Rz. 32
Hat das FA, woher auch immer, die Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 25f UStG, muss es den Vorsteuerabzug oder die Steuerbefreiung gem. § 6a UStG versagen. Anders als bei Anordnung der Haftung gem. § 25d UStG i. d. F. bis Ende 2019 gibt § 25f UStG dem Finanzamt keinen Ermessensspielraum, d. h. das FA muss die objektiven und subjektiven Voraussetzungen nachweisen und dann den Vorsteuerabzug versagen z. B. durch den Erlass eines geänderten Steuerbescheids, wenn der Vorsteuerabzug bereits geltend gemacht wurde. Entdeckt das FA die Voraussetzungen des § 25f UStG schon bei der Prüfung einer Umsatzsteuer-Voranmeldung, also bevor es zur ungerechtfertigten Berücksichtigung der Steuerbefreiung oder de...