Rz. 180
Ordnungswidrig i. S. d. § 26a Abs. 2 UStG handelt nur derjenige, der den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit vorsätzlich oder leichtfertig begangen hat. Die Tat kann dabei je nach dem betroffenen Tatbestand des Abs. 1 selten durch ein positives Tun oder überwiegend durch ein Unterlassen verwirklicht werden. Im ersten Fall kann das z. B. die Abgabe einer falschen ZM sein, im zweiten Fall kann es die fehlende Ausstellung einer Rechnung zum Inhalt haben.
Rz. 181
Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter erstens die Tatbestandsmerkmale kennt und zweitens die Tatbestandsverwirklichung will. Der Vorsatz setzt sich demgemäß aus einem Wissens- (kognitiven) und einem Wollenselement (voluntativen) zusammen; kurz spricht man hier auch vom "Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung". Zur Kenntnis der Tatbestandsverwirklichung gehört ein aktuelles Bewusstsein. Dabei werden insgesamt drei Vorsatzformen unterschieden. Dies ist erstens die Absicht (dolus directus 1. Grades), der direkte Vorsatz i. S. d. Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades) und der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). Soweit das Gesetz – wie bei § 26a Abs. 2 UStG – nur vorsätzliches Handeln voraussetzt, also nicht ausdrücklich Absicht oder Wissentlichkeit verlangt, reicht jede der drei Vorsatzformen zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands aus.
Rz. 182
Ein absichtliches Handeln ist nun gegeben, wenn es dem Täter auf Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands ankommt, er sie also anstrebt. Auch wenn dies nicht sein Endziel oder der alleinige Zweck seines Handelns sein muss. Ein wissentliches Handeln ist zu bejahen, wenn der Täter positiv weiß oder es als sicher voraussieht, dass er den Tatbestand verwirklicht, unabhängig davon, ob er dies auch anstrebt. Hier überwiegt die Wissensseite. Ein bedingter Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung als möglich und nicht ganz fern liegend erkannt und billigend in Kauf genommen oder sich um des erstrebten Ziels willens wenigstens mit ihr abgefunden hat, mag sie ihm auch an sich unerwünscht gewesen sein.
Rz. 183
Kennt ein Steuerpflichtiger demnach die ihm obliegende steuerliche Mitwirkungspflicht nicht, weil er z. B. nicht weiß, dass er die Rechnungsdoppel für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zehn Jahre lang aufbewahren muss, dann handelt er jedenfalls nicht vorsätzlich. Hier liegt ein Tatbestandsirrtum nach § 11 Abs. 1 OWiG vor. Selbstverständlich ist in solchen Fällen aber eine fahrlässige Begehung der Tat möglich, die beim Tatbestand des § 26a Abs. 2 UStG in der Form der Leichtfertigkeit vorliegen muss.
Rz. 184
Die Leichtfertigkeit ist ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit, sie ist mit der bewussten Fahrlässigkeit nicht identisch und entspricht in etwa der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts, doch kommt es hier auf die individuellen Umstände in der Person des Täters – mithin auf seine persönlichen Fähigkeiten – an. Leichtfertigkeit ist i. d. R. anzunehmen, wenn der Täter eine ungewöhnlich grobe Pflichtwidrigkeit begeht, weil er ganz nahe liegende Überlegungen versäumt oder das unbeachtet lässt, was jedem einleuchtet. Demnach handelt ein Täter leichtfertig i. S. d. § 26a Abs. 1 UStG, wenn er die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Steuergesetzen verpflichtet und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten imstande war und wenn sich dem Täter nach den Umständen die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale hätte aufdrängen müssen. Insoweit muss sich der Unternehmer insbesondere über die gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungs- und Meldepflichten informieren, was vor allem dann gilt, wenn er die einschlägigen Geschäfte wiederholt ausführt. Demnach dürfte etwa die Verletzung der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten i. d. R. leichtfertig sein.
Rz. 185
Schwierig kann u. U. die Abgrenzung zwischen der Leichtfertigkeit und dem bedingten Vorsatz sein. Hat der Täter hier nur die unbestimmte Hoffnung, dass der Erfolg ausbleibt, so schließt das den Vorsatz nicht aus. Vertraut er hingegen auf das Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung, so liegt lediglich eine bewusste Fahrlässigkeit vor. Dass der Täter den Eintritt des Erfolgs für möglich hält, ist demnach Voraussetzung für die bewusste Fahrlässigkeit wie für den bedingten Vorsatz. Der Unterschied liegt auf der Willensebene, nicht auf der Wissensebene.
Rz. 186
Übertragen auf den Tatbestand des § 26a Abs. 2 UStG werden diese allgemeinen Grundsätze in den meisten Fällen zur Bejahung eines vorsätzlichen Handelns führen. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Unternehmer bereits durch vorangegangenes rechtmäßiges Verhalten seine Kenntnis der ihm obliegenden Pflicht nach außen hin dokumentiert hat. So kann sich der Unternehmer, welcher bei dem überwiegenden Teil seiner Leistungen Rechnungen ausstellt, bei einem Verstoß gegen die Pflicht des § 14 Abs. 2 UStG kaum damit "herausreden", ihm sei unbekannt gewesen, dass er eine Rechnung ausstellen musste. Gleiches gilt in ...