Rz. 15
Die Voraussetzungen der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau und ihr Inhalt ergeben sich auf einen ersten Blick recht deutlich aus dem Wortlaut des § 27b Abs. 1 UStG. Im Detail lässt diese Regelung aber dann doch überraschend viele wichtige Fragen offen, wie nachfolgend einzeln aufzuzeigen sein wird. Auch die geltende Verwaltungsanweisung in Abschn. 27b.1 UStAE gibt zu einigen bedeutenden Fragen keine befriedigende Antwort. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass gerade das Betretensrecht von Räumen des Unternehmers – insb. bei gemischt genutzten Wohn- und Arbeitsräumen – sowie das Recht zur Durchsicht von Unterlagen und Datenträgern m. E. aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unproblematisch sind.
Rz. 16
Zur Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau fordert der Gesetzeswortlaut des § 27b Abs. 1 UStG – sozusagen als "prüfungsauslösender Anlass" – zunächst, dass Sachverhalte zur gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung der USt festzustellen sind, welche für die Besteuerung erheblich sein können; es muss also ein gewisser umsatzsteuerrechtlicher "Aufklärungsbedarf" für einen Sachverhalt vorliegen. Die Finanzbehörde kann den Unternehmer zu diesem Zweck – ohne Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung – aufsuchen und den oder die gegenständlichen Sachverhalte prüfen. Die Finanzbehörde soll sich durch die Inaugenscheinnahme der betrieblichen Räume und durch eine unangekündigte Sichtung der Geschäftsunterlagen (Rz. 81ff.) vor allem ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen eines Unternehmens verschaffen können, ohne z. B. einem "betrügerischen Unternehmer" zuvor die Gelegenheit zu geben, sich auf die Prüfung vorzubereiten oder seine Geschäfte gleich einzustellen. Eine Umsatzsteuer-Nachschau darf demnach für derartige Zwecke im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens (Rz. 20a) der Finanzbehörde durchgeführt werden.
Rz. 17
Der Wortlaut des § 27b UStG und der Gesetzeszweck (Rz. 7ff.) weisen hier eindeutig darauf hin, dass bei der (Ermessens-)Entscheidung über die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau immer ein Zusammenhang mit der USt vorhanden sein muss. Es handelt sich eben nicht um eine allgemeine "Steuer-Nachschau", sondern um eine Nachschau für die Zwecke der USt; eine Nachschau ohne umsatzsteuerlichen Bezug ist demnach rechtswidrig. Dieser umsatzsteuerliche Prüfungsanlass muss dann dazu führen, dass verwaltungsintern ein Auftrag zur Prüfung des Sachverhalts erteilt wird. Dieser Auftrag entspricht aber nicht den Anforderungen und dem Inhalt einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO und § 5 BpO. Bei der Umsatzsteuer-Nachschau muss lediglich bekannt sein, welcher umsatzsteuerliche Sachverhalt zu prüfen ist, wobei hier ein konkreter Zeitraum, wie z. B. die Umsatzsteuer-Voranmeldungen 7 bis 12 aus 01 oder auch eine einzige Rechnung ausreicht. Allgemein dürfte dafür eine mündliche Auftragserteilung durch einen Veranlagungssachbearbeiter oder einen Sachgebietsleiter ausreichend sein, die formalen Anforderungen sind hier demnach deutlich geringer, als bei einer regulären Außenprüfung.
Rz. 18
Der Zweck der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau darf nach dem Vorgesagten demnach ausschließlich in der Prüfung umsatzsteuerlicher Sachverhalte bestehen, rein ertragsteuerliche Prüfungsfelder dürfen nie Anlass einer Umsatzsteuer-Nachschau sein. Darüber hinaus muss es sich um einen konkreten umsatzsteuerlichen Prüfungsbedarf handeln, eine sog. Nachschau "ins Blaue hinein", ohne konkreten Ermittlungsanlass, ist unzulässig, selbst wenn nur umsatzsteuerliche Sachverhalte geprüft werden sollen. Eine wirkliche Einschränkung dürfte diese Voraussetzung bei der überwiegenden Anzahl von Unternehmern allerdings nicht darstellen, denn bei ihnen steht nahezu jeder Geschäftsvorfall auch im Zusammenhang mit der USt. Selbst bei Steuerpflichtigen, die lediglich steuerfreie Umsätze ausführen, dürfte eine Umsatzsteuer-Nachschau m. E. durchweg zulässig sein, wenn etwa zu überprüfen ist, ob die Voraussetzungen dieser Steuerfreiheit vorliegen. Nach Auffassung des FG Hamburg darf eine Umsatzsteuer-Nachschau z. B. auch genutzt werden, um festzustellen, welches Kassensystem der Steuerpflichtige benutzt. M.E. muss hier zusätzlich ein umsatzsteuerlicher Prüfungsbedarf vorliegen, was bei der Überprüfung von Kasseneinnahmen aber i. d. R. der Fall sein dürfte.
Rz. 19
In der Praxis dürfte es sich aufgrund der genannten Anforderungen – auch in Anlehnung an die Verwaltungsanweisung – vor allem um folgende prüfungswürdige Sachverhalte handeln:
- Bei der Neugründung von Unternehmen (Existenzgründungen), um festzustellen, ob das Unternehmen tatsächlich im umsatzsteuerlichen Sinne unternehmerisch tätig wird;
- bei Unternehmen, welche etwa durch umfangreiche Warenlieferungen in das Ausland oder anderer Umsätze hohe Vorsteuerüberhänge haben, sodass die Finanzbehörde eine Zustimmung zur Steueranmeldung nach § 168 S. 2 AO erteilen muss, damit die Steueranmeldung des Unternehmers einer Steuerfestsetzung unter...