Rz. 118
Die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau bewirkt zweifellos einen nachhaltigen Eingriff in die Rechte des davon betroffenen Steuerpflichtigen. Nach der überwiegenden Auffassung stellt deshalb die Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau bereits mit dem sichtbar gewordenen Erscheinen der Prüfer einen mündlichen Verwaltungsakt dar. Zu beachten ist, dass auch gegen einen mündlichen Verwaltungsakt lediglich einen Monat nach dessen Bekanntgabe Einspruch eingelegt werden kann. Bekanntgabezeitpunkt ist hier der Tag der Prüfung.
Rz. 119
Ob es für die Qualifizierung als Verwaltungsakt wirklich entscheidend darauf ankommt, ob der Betroffene zu einem Dulden veranlasst wird – so wie es die Verwaltungsanweisung vorsieht –, kann m. E. dahingestellt bleiben, denn spätestens mit dem Betreten der Geschäfts- oder Wohnräume duldet der Betroffene – wenn auch nur konkludent – ein Handeln der Verwaltung, ab diesem Zeitpunkt liegt demnach nach jeder Auffassung ein Verwaltungsakt vor. Natürlich liegt auch dann ein Verwaltungsakt vor, wenn der betroffene Unternehmer die Finanzbeamten freiwillig seine Geschäftsräume oder gemischt genutzten Räume betreten lässt.
Rz. 120
Gegen diesen Verwaltungsakt kann dann mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs nach § 347 AO vorgegangen werden. Dieser hat allerdings keine aufschiebende Wirkung und hindert daher die Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau auch dann nicht, wenn er bereits bei deren Beginn vorgetragen wird.
Rz. 121
Zu beachten ist, dass der Einspruch und auch eine eventuelle Anfechtungsklage mit Beendigung der Nachschau unzulässig werden; hier bleibt dann nur noch die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nachträglich mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO feststellen zu lassen. Damit kann vor allem versucht werden, ein Verwertungsverbot für die Prüfungsfeststellungen durchzusetzen. M.E. ist es aber eher sinnvoll, gleich gegen den der Umsatzsteuer-Nachschau – und der evtl. sich daran anschließenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung – folgenden Steuerbescheid vorzugehen, denn hier ist die Berechtigung zur Änderung der Bescheide – und damit die Berechtigung zur Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau – konkludent zu prüfen.
Rz. 122
Werden die Ergebnisse einer Umsatzsteuer-Nachschau bzw. der nachfolgenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung in einem Steuerbescheid berücksichtigt, dann muss dieser Bescheid mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden, um ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen. Da die geänderte Steuerfestsetzung aufgrund von Prüfungsfeststellungen in der Praxis der Regelfall sein dürfte, ist diese Form des Einspruchs geboten, vor allem wenn nicht isoliert gegen die Art und Weise der Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau, sondern gegen den Inhalt der Prüfungsfeststellungen und damit gegen den Steuerbescheid vorgegangen werden soll. Demnach dürften die oben geschilderten offenen Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau in Wohnräumen des Betroffenen (Rz. 40ff.) mit dem anschließenden Übergang zu einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sowie dem Erlass von Änderungsbescheiden in diesem Verfahren zu klären sein.
Rz. 123
Gegen die Art und Weise der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau stehen darüber hinaus die formlosen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Neben der Gegenvorstellung ist hier vor allem an die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die handelnden Amtsträger zu denken; eine solche sollte allerdings begründeten Fällen vorbehalten bleiben. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Betretensrecht für bestimmte Räume eindeutig nicht bestanden hat und diese dennoch betreten wurden oder wenn Durchsuchungsmaßnahmen auf § 27b UStG gestützt wurden und daraus steuerliche Feststellungen begründet werden.
Rz. 124
Der in der Vergangenheit immer wieder erhobenen Rüge der Verfassungswidrigkeit des § 27b UStG – oder sogar der des gesamten Umsatzsteuerrechts – wegen der Verletzung des Zitiergebots bei dem Eingriff in Grundrechte durch Regelungen des UStG (Rz. 63) im Einspruchs- oder Klageverfahren sollte keine zu hohe Erwartung entgegengebracht werden. Der BFH und das BVerfG haben entsprechende Rechtsbehelfe bisher immer zurückgewiesen. Insoweit ist zu empfehlen, etwaige Rechtsbehelfe gegen geänderte Steuerfestsetzungen aufgrund der Feststellungen von Umsatzsteuer-Nachschauen inhaltlich auf andere Argumente zu stützen.