Rz. 29

Die Aufnahme von Jugendlichen (bzw. Säuglingen) i. S. d. § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. bis 31.12.2019 muss Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken bzw. Zwecken der Säuglingspflege dienen. Die genannten Erziehungs- und Fortbildungszwecke sind nicht scharf voneinander zu trennen, sondern berühren und ergänzen sich gegenseitig. Der Begriff Fortbildungszwecke ist so auszulegen, dass er nicht allein die berufliche, sondern auch die geistige und sittliche Fortbildung umfasst.[1] Hierzu gehört u. a. auch die sportliche Erziehung, es sei denn, es handelt sich um Leistungen, der Beherbergung und Beköstigung während kurzfristiger Urlaubsaufenthalte oder Fahrten, die von Sport- und Freizeitangeboten geprägt sind. Die Befreiung kommt deshalb sowohl bei von einer anerkannten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung durchgeführten Sportlehrgängen für Berufssportler als auch bei solchen für Amateursportler in Betracht.[2]

4.2.1 Erziehung

 

Rz. 30

Das Tatbestandsmerkmal "für Erziehungszwecke bei sich aufnehmen" i. S. d. § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. bis 31.12.2019 muss nicht eng ausgelegt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Personen, die bereits berufstätig sind, "für Erziehungszwecke" aufgenommen werden. Das wird vor allem dann anzunehmen sein, wenn es sich bei den aufgenommenen Personen zum größten Teil um noch junge, erziehbare und bildungsfähige Menschen im Alter bis zu 27 Jahren handelt. Bei ihnen muss die Erziehungsarbeit nicht unbedingt dadurch enden, dass sie erwerbstätig werden.[1]

 

Rz. 31

Ab dem 1.1.2020 sind nach § 4 Nr. 23 S. 1 Buchst. a UStG die Erziehung (von Kindern und Jugendlichen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen steuerfrei. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Erziehung eine planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung des heranwachsenden Geschlechts mit dem Ziel, vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft heranzubilden.[2] Zweck der Erziehung ist die körperliche, geistige und charakterliche Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbstständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasst damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehören außer der – regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen – Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung.[3]

Nach der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. ab 1.1.2020[4] umfasst der Begriff "Erziehung" die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Begünstigte Erziehungsleistungen umfassen insbesondere altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung, Angebote von Musik-, Kunst- und Bewegungserziehung sowie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Werten. Die ebenfalls unter die zugrunde liegende unionsrechtliche Befreiungsnorm des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL fallenden Bildungsleistungen werden von § 4 Nr. 21 UStG erfasst. Hierunter fallen Leistungen, die neben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen in erster Linie einen Bildungszweck verfolgen.

[3] Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf zielen, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw., vgl. BFH v. 21.11.1974, II R 107/68, BStBl II 1975, 389.
[4] BT-Drs. 19/13436.

4.2.2 Mit Erziehung eng verbundene Leistungen

 

Rz. 31a

Zu den eng mit der Erziehung verbundenen Leistungen können nach der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. ab 1.1.2020[1] wie nach § 4 Nr. 23 UStG i. d. F. bis 31.12.2019 die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen gehören. Diese Leistungen sind dann als mit der Erziehungsleistung "eng verbunden" anzusehen, wenn sie tatsächlich als eigenständige Leistungen zur Erziehungsleistung erbracht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Unternehmer, der die v.g. Leistungen erbringt, die Erziehung der Kinder und Jugendlichen selbst obliegt. Dagegen stellt weiterhin die Beherbergung oder Beköstigung während kurzfristiger Urlaubsaufenthalte oder Fahrten, die von Sport- und Freizeitangeboten geprägt sind, keine Aufnahme zu Erziehungszwecken i. S. d. § 4 Nr. 23 S. 1 Buchst. a UStG dar.[2] Ferner ist die bloße Bewirtung durch Unternehmer, die die Kinder oder Jugendlichen nicht zu den begünstigten Zwecken bei sich aufnehmen, weiterhin nicht nach § 4 Nr. 23 S. 1 Buchst. a UStG befreit.

 

Rz. 31b

Eng (mit der Erziehung) verbundene Umsätze nach § 4 Nr. 23 S. 1 Buchst. a UStG liegen (wegen der wortwörtlichen Übernahme der Terminologie des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) vor, wenn eine Verbindung zu der Hauptleistung besteht, neben der in den Steuerbefreiungen nach Art. 132 MwStS...

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