Rz. 40
Bei einem sog. Warenkredit (Kreditgewährung im Zusammenhang mit einer Warenlieferung) war ursprünglich die Kreditgewährung als – steuerpflichtige – Nebenleistung zu der Warenlieferung angenommen worden. Der BFH hatte in seinem Urteil v. 18.12.1980 im Fall des Abzahlungsgeschäfts i. S. d. § 1a Abzahlungsgesetz entschieden, dass der Verkäufer zwei Leistungen erbringt, einerseits die Warenlieferung und andererseits die Bewilligung der Teilzahlung gegen jeweils gesondert vereinbartes und berechnetes Entgelt. Diese Teilzahlungszuschläge sind Entgelt für eine steuerfreie Kreditleistung. In seinen Urteilen v. 28.1.1993 hatte der BFH seine geänderte Rechtsprechung – wenn auch in negativer Abgrenzung – bestätigt. Danach liegt beim Verkauf von Waren im Versandhandel eine einheitliche Warenlieferung (nicht z. T. eine steuerfreie Kreditgewährung) vor, wenn der Käufer von der ihm eingeräumten Möglichkeit der Ratenzahlung Gebrauch macht und dadurch einen Barzahlungsrabatt i. H. v. 3 % des Katalogpreises einbüßt. In einem solchen Fall tritt die Kreditierung des Kaufpreises so hinter die Lieferungselemente zurück, dass diese den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen und insgesamt nur eine Lieferung i. S. v. § 3 Abs. 1 UStG und nicht zusätzlich eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG in Form einer steuerfreien Kreditgewährung gegeben ist. Bei der Abgrenzung, ob eine Kreditgewährung als Teil einer einheitlichen Leistung oder als eigenständige Leistung anzusehen ist, kommt es darauf an, ob der Leistung ein eigenständiger Finanzierungscharakter zukommt.
Rz. 41
Die Finanzverwaltung wendet diese Grundsätze auch in anderen Fällen an, in denen der Unternehmer im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung einen Kredit gewährt. Sie hebt dabei aber nicht mehr wie vor dem 8.11.2017 darauf ab, dass die Kreditgewährung nur dann als gesonderte Leistung anzusehen ist, wenn eine eindeutige Trennung zwischen dem Kreditgeschäft und der Lieferung bzw. sonstigen Leistung vorliegt. Es ist nicht mehr (wie vorher) erforderlich, dass die Lieferung oder sonstige Leistung und die Kreditgewährung mit den dafür aufzuwendenden Entgelten bei Abschluss des Umsatzgeschäfts gesondert vereinbart worden sein müssen und dass in der Vereinbarung über die Kreditgewährung auch der Jahreszins angegeben wird und die Entgelte für die beiden Leistungen getrennt abgerechnet werden. Ob mehrere, voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Gesamtleistung vorliegen, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen.
Rz. 42
Eine Werklieferung und die Finanzierung derselben können – ebenso wie eine Leasingleistung und die Bereitstellung einer Versicherung für das Leasingobjekt – grundsätzlich nicht als derart eng miteinander verbunden angesehen werden, dass sie einen einheitlichen Umsatz bilden. Eine Gebäudewerklieferung stellt gegenüber der Stundung des Werklohns über 30 Jahre in einem Nutzungsvertrag, der zur vollständigen Amortisation der Baukosten innerhalb der Vertragslaufzeit führende, als Entgelt für die Stundung und Kapitalgewährung bezeichnete Miet-Zahlungen des Grundstückseigentümers beinhaltet, eine umsatzsteuerlich selbstständige Leistung dar, wenn die ein erhebliches Volumen beinhaltende Kreditgewährung unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit zu Banken von der Bauleistung abzusondern ist und im Verhältnis zur Gebäudeerrichtung nicht als nebensächlich angesehen werden kann. Die terminologisch als Vermietung bezeichnete, mehr oder weniger bankenübliche Kreditgewährung ist als Finanzgeschäft gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei.
Rz. 43
Zur Kreditgewährung im Zusammenhang mit Leistungen im Rahmen sog. Public-Private-Partnerships (PPP) im Bundesfernstraßenbau vgl. BMF v. 3.2.2005. Erbringt ein Unternehmer an ein Studentenwerk im Rahmen eines PPP-Projekts eine Bauleistung (Werklieferung), die mit einer zwanzigjährigen Finanzierung des Bauvorhabens durch ihn verbunden ist, kann neben der Werklieferung eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung an das Studentenwerk vorliegen. Das soll entgegen Abschn. 3.11. Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UStAE (i. d. F. bis 7.11.2017) auch dann gelten, wenn in der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung kein Jahreszins angegeben worden ist.
Die Verwaltung hat sich der BFH-Auffassung angeschlossen.
Danach erbringt im Falle der Kreditgewährung im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung der leistende Unternehmer grundsätzlich jeweils eigene selbstständige Leistungen. Die naturgemäße Verbindung des Kreditgeschäfts zu der Lieferung oder sonstigen Leistung reicht für sich genommen für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus. Ob mehrere, voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Gesamtleistung vorliegen, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Anhaltspunkte, die für die Annahme mehrerer selbstständiger Leistungen sprechen, sind dabei u. a.:
- gesonderte Vereinbarung von Lief...