Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
In welchem Umfang ein gemischt genutztes Gebäude dem Unternehmensvermögen zugeordnet wird, bestimmt sich nach einer - durch Beweisanzeichen gestützten - Zuordnungsentscheidung des Unternehmers im Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung. Spätere Absichtsänderungen können den Vorsteuerabzug nicht nachträglich herbeiführen.
Sachverhalt
Die Ehegatten errichteten im Jahr 2006 ein Einfamilienhaus, das sie mir ihren Kindern selbst bewohnten. Da sie einen Raum im Erdgeschoss für unternehmerische Zwecke vermieten wollten, nutzten sie die Vorteile des sog. Seeling-Modells: Sie ordneten das gesamte Haus dem Unternehmensvermögen zu und zogen die Vorsteuer aus den gesamten Baukosten ab. Basierend auf der Wohnfläche des Gebäudes gingen sie von einem unternehmerischen Nutzungsanteil von 12,69 % aus. Ein Umsatzsteuer-Sonderprüfer entzog dieser Berechnung später den Boden, indem er - rechtlich korrekt - auf die Nutzfläche des Gebäudes (d.h. einschließlich der Kellerräume) abstellte und somit auf eine nur 8%ige unternehmerische Nutzung kam. Da die gesetzlich festgelegte Mindestgrenze für eine unternehmerische Nutzung von 10 % damit unterschritten war, versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug komplett. Der Steuerberater der Eheleute legte daraufhin eine neue Flächenberechnung vor, in der er plötzlich von einer "von Anfang an geplanten" unternehmerischen Nutzung eines weiteren Kellerraums ausging und deshalb einen unternehmerisch genutzten Anteil von 19,59 % durchsetzen wollte.
Dreh- und Angelpunkt des Rechtsstreits war nun die Frage, ob die Eheleute diese Zuordnungsentscheidung tatsächlich bereits bei Herstellung des Gebäudes getroffen hatten oder lediglich eine spätere Absichtsänderung vorlag, die nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs zurückwirkt und deshalb nicht zum nachträglichen Vorsteuerabzug berechtigt.
Entscheidung
Das FG urteilte, dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug zu Recht versagt hat. Für die Bewertung des unternehmerischen Nutzungsanteils kommt es darauf an, ob der Kellerraum von vornherein für eine unternehmerische Nutzung vorgesehen war und ob die Eheleute eine nach objektiven Kriterien nachprüfbare Zuordnungsentscheidung getroffen hatten. Maßgeblich war im vorliegenden Fall die Nutzungsabsicht und nicht die tatsächliche Nutzung, da das Gebäude bei Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung im Bau war und noch nicht genutzt werden konnte.
Nach Auffassung des FG ist die Absicht, auch den Kellerraum unternehmerisch zu nutzen, jedoch nicht nach außen hin objektiv erkennbar geworden. Gegenüber dem Finanzamt haben die Eheleute zunächst nur für das Büro im Erdgeschoss eine unternehmerische Nutzung deklariert. Erst nach der - für sie nachteilig ausgegangenen - Umsatzsteuer-Sonderprüfung haben sie plötzlich eine weitergehende geplante unternehmerische Nutzung vorgetragen. Auch eine Bestätigung des Bauträgers, vorgelegte Baupläne und ein erweiterter Gewerbemietvertrag konnte das FG nicht davon überzeugen, dass eine unternehmerische Nutzung des Kellerraums von vornherein geplant war.
Hinweis
Das sog. Seeling-Modell - das im Urteilsfall an einer falschen Flächenberechnung scheiterte -erlaubte es Unternehmern, ein teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutztes Gebäude insgesamt dem Unternehmensvermögen zuzuordnen und die gesamten Vorsteuerbeträge abzuziehen . Da die Privatnutzung des Gebäudes als unentgeltliche Wertabgabe erst später versteuert werden musste, wirkte sich diese Zuordnung als zinsloses Staatsdarlehen aus.
Seit dem 1.1.2011 hat der Gesetzgeber diesen Seeling-Effekt durch die Einführung des neuen § 15 Abs. 1b UStG unterbunden. Seitdem ist ein Vorsteuerabzug nur noch anteilig für den unternehmerisch genutzten Teil möglich.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 02.03.2011, 3 K 2880/08