Tenor

  • Die Streitsachen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
  • Die Streitsachen werden ausgesetzt.
  • Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:

    • Ist von einem Mitgliedstaat, der einem ehemals dort beschäftigten und versicherten Wanderarbeitnehmer bzw. dessen Waise Rente gewährt, gemäß Art. 77, 78 der VO (EWG) 1408/71 ein Unterschiedsbetrag zwischen dortigen Familienbeihilfen und den Familienbeihilfen eines anderen Mitgliedstaates, in dem der Rentner sowie seine Kinder bzw. die Waise wohnen und der ebenfalls Rente gewährt, zu zahlen, wenn der Anspruch auf Familienbeihilfen nach dem nationalen Recht des erstgenannten Mitgliedstaates, hier Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz, einen inländischen Wohnsitz sowohl des Berechtigten als auch des berücksichtigungsfähigen Kindes erfordert? Ist Art. 77 VO (EWG) 1408/71, ggf. unter Berücksichtigung der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 09.06.1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 139/1/7), für einen Bezieher einer deutschen Verletztenrente wegen eines Berufsunfalles anwendbar, wenn dieser deutsches Kindergeld beantragt?
    • Ist der Anspruch auch dann gegeben, wenn der Rentenanspruch erst nach dem Wohnortwechsel ins Heimatland entsteht? Steht Kindergeld einem Rentner dann nur unter Berücksichtigung derjenigen Familienangehörigen zu, für die der Anspruch vor seinem Wohnortwechsel begründet war oder für alle Familienangehörigen, die der Rentner zur Zeit des Rentenbezuges hat einschließlich derjenigen, die erst nach seinem Wohnortwechsel geboren sind?
    • Wenn ein Anspruch auf Kindergeld in Anwendung der Art. 77, 78 VO (EWG) 1408/71 gegeben sein sollte, steht es dann in voller Höhe oder in nach deutschen nationalen Minderungsvorschriften (§§ 10, 11 BKGG) einkommensbezogen geminderter Höhe zu? Wie ist ggf. der einkommensabhängige Teil zu berechnen? Wie sind ggf. die von Steuerfreibeträgen und sonstigen steuerlichen Abzügen abhängigen Netto-Einkünfte des Rentners oder der Waise und ihrer Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat festzustellen und auf das kindergeldrechtlich erhebliche Einkommen anzurechnen?
    • Ist im Hinblick auf Art. 81 Buchst. a) und d) der VO (EWG) 1408/71 der Beschluß der Verwaltungskommission Nr. 129 vom 17.10.1985 ausreichend? Gehört es insbesondere zu den Pflichten der Verwaltungskommission, eine Regelung herbeizuführen, welcher von mehreren in Betracht kommenden Trägern eines anderen Mitgliedstaates eine verbindliche Auskunft zu erteilen hat?
 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern einen Unterschiedsbetrag zwischen dem deutschen Kindergeld und ausländischen Familienleistungen für Rentenempfänger und Waisen zu bezahlen.

Dem liegen im einzelnen folgende Streitsachen zugrunde:

1.

1. 1. …–S 9 Kg 157/88–

Der Kläger, griechischer Staatsangehöriger, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 05.08.1982 bis 17.01.1986 als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und bezog von der Beklagten Kindergeld (Kg) für seine Kinder …, geb. 23.02.1977, und … geb. 20.05.1979.

Mit Schreiben vom 22.01.1986 teilte der Kläger dem Arbeitsamt (AA) … u. a. mit, daß er EU-Rente beziehe und Ende des Monats Januar 1986 für immer nach Griechenland zurückkehre. Zugleich beantragte er die Weitergewährung von Kindergeld.

Mit Bescheid vom 14.02.1986 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung des Kg ab März 1986 mit der Begründung auf, der Kläger habe Ende des Monats Januar 1986 die Bundesrepublik Deutschland verlassen und somit nicht mehr seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG).

Auf Anfrage durch das AA Nürnberg teilte die Anstalt für Sozialversicherung –Rentenbezirksdienststelle Athen– –Direktion für Sonderfälle– mit Schreiben vom 16.09.1987 mit, daß dem Kläger für die Zeit vom 15.01.1985 bis 31.01.1989 Rente wegen Invalidität gewährt werde. Aufgrund dieser Entscheidung würden ihm Kinderzuschläge für seine Kinder … und … ab 01.02.1986 gewährt.

Mit Bescheid vom 25.03.1988 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kg ab. Zur Begründung führte sie aus, Anspruch auf Kg für in Griechenland lebende Kinder sei nach Art. 77 der EG Verordnung Nr. 1408/71 für im Heimatland lebende Rentenbezieher nur gegeben, wenn ausschließlich Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewährt werde. Der Kläger habe jedoch auch griechische Versicherungszeiten zurückgelegt und beziehe eine Rente aus der griechischen Rentenversicherung. Die Familienbeihilfe erhalte der Kläger daher nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohne, d. h. nach den griechischen Rechtsvorschriften (Art. 77 Abs. 2 Buchst. b) i) EWG-VO Nr. 1408/71).

Der Widerspruch des Klägers vom 21.04.1988 hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11.07.1988). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widersprechende erhalte Rente von der Landesversicherungsanstalt (LVA) in...

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