Leitsatz

Hat die Aufsichtsbehörde nach Mitteilung der Änderung der Anschrift die unter der alten Anschrift eingetragene Beratungsstelle zu löschen und darf sie vor Eintragung der unter der neuen Anschrift eröffneten Beratungsstelle und ihres Leiters prüfen, ob Eintragungshindernisse bestehen?

 

Sachverhalt

Anfang 1992 trug die Oberfinanzdirektion (OFD) als Aufsichtsbehörde für den Lohnsteuerhilfeverein G e. V. (Klägerin) die Beratungsstelle A unter der Anschrift I-Straße in J-Stadt und als Beratungsstellenleiter Herrn D in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine ein.

Im Jahr 2009 bezog D privat und mit der Beratungsstelle eine Immobilie in B-Stadt, E-Straße. Der Lohnsteuerhilfeverein G e. V. übersandte der Aufsichtsbehörde eine Erklärung nach § 4b Abs. 2 Nr. 2 DVLStHV sowie eine Mitteilung nach § 7 DVLStHV und beantragte, für die Beratungsstelle und deren Leiter Herrn D die geänderte Anschrift einzutragen.

Die Aufsichtsbehörde erfasste die Schließung der Beratungsstelle in J-Stadt im Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine. Die Eintragung der Beratungsstelle in B-Stadt lehnte sie indes u. a. mit der Begründung ab, es bestünden Zweifel an der persönlichen Eignung von Herrn D für die Leitung der ins Auge gefassten Beratungsstelle, weil dieser in der Vergangenheit nachhaltig und in schwerwiegender Weise gegen Bestimmungen des StBerG verstoßen habe.

Der Lohnsteuerhilfeverein meint, dass bei einer (alleinigen) Sitzverlegung von der Fortführung der ehemaligen Beratungsstelle unter einer neuen Anschrift auszugehen sei. Es handele sich keinesfalls um das Schließen einer am ursprünglichen Ort befindlichen Beratungsstelle und dem Eröffnen einer an einem anderen Ort befindlichen Beratungsstelle. Daher sei die Aufsichtsbehörde nicht berechtigt, die von ihr angestellten weiteren Prüfungen vorzunehmen.

 

Entscheidung

Das FG Berlin-Brandenburg hat dem Lohnsteuerhilfeverein Recht gegeben und die Aufsichtsbehörde verpflichtet, für die Beratungsstelle sowie deren Leiter Herrn D die geänderte Anschrift B-Stadt, E-Straße, in das Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine einzutragen.

Zur Begründung führt das FG aus, dass die Löschung der ursprünglich in J-Stadt, I-Straße, betriebenen Beratungsstelle rechtswidrig sei, denn allein die Sitzverlegung habe nicht deren Löschung zur Folge. Die Beratungsstelle sei nicht im Sinne von § 6 Nr. 2 DVLStHV geschlossen worden, sondern habe ihre Tätigkeit unverändert unter der neuen Anschrift in B-Stadt, E-Straße, fortgesetzt.

Zwar sei der Aufsichtsbehörde zuzugeben, dass der Wortlaut des StBerG und der DVLStHV insoweit nicht eindeutig sei. Jedoch legten insbesondere der Zusammenhang einzelner Bestimmungen sowie die Systematik der DVLStHV die vom Senat vorgenommene Normauslegung nahe. Denn der Verordnungsgeber habe in § 5 Nr. 2 Buchst. b DVLStHV ausdrücklich festgelegt, dass für die im OFD-Bezirk bestehenden Beratungsstellen die Veränderung der Anschrift einer Beratungsstelle in das betreffende Verzeichnis einzutragen sei. Mithin lege die Formulierung der Verordnung nahe, dass jedenfalls bei einem Umzug innerhalb des Bezirks derselben OFD lediglich eine Anschriftenänderung vorzunehmen sei. Eine derartige Änderung der Anschrift sei von dem Schließen einer Beratungsstelle zu unterscheiden, für die der Verordnungsgeber in § 6 Nr. 2 DVLStHV ausdrücklich das Löschen im Verzeichnis der Lohnsteuerhilfevereine vorschreibe.

 

Hinweis

Es ist wohl - soweit ersichtlich - bundesweit gängige Praxis, dass die Aufsichtsbehörden bei einer Veränderung der Anschrift einer Beratungsstelle (sog. "Verlegung" einer Beratungsstelle) innerhalb des Bezirks der Aufsichtsbehörde von der Schließung der "alten" Beratungsstelle und der Eröffnung einer "neuen" Beratungsstelle ausgehen. Die Aufsichtsbehörden nehmen diese "Verlegung" zum Anlass, vor Eintragung der "neuen" Beratungsstelle zu prüfen, ob der Beratungsstellenleiter (nach wie vor) die einschlägigen Voraussetzungen der §§ 23 und 26 StBerG erfüllt. Sie überprüfen dabei insbesondere die sachgemäße und gewissenhafte Hilfeleistung der Beratungsstelle sowie die Pflichterfüllung des Beratungsstellenleiters in der Vergangenheit. Dabei machen sie die Eintragung der "neuen" Beratungsstelle von der Vorlage eines aktuellen Führungszeugnisses und einer Bescheinigung in Steuersachen abhängig.

Dem Vernehmen nach hält der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BDL e. V.) diese Gesetzesauslegung durch die Aufsichtsbehörde(n) für falsch und beruft sich dabei auf die Auffassung des FG Berlin-Brandenburg. Zudem scheint ihm diese Vorgehensweise diskriminierend zu sein und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, weil die von den Aufsichtsbehörden praktizierte Auslegung der Eintragungsvorschriften der §§ 23 Abs. 3 und 26 StBerG der Praxis der Steuerberaterkammern bei den Steuerberatern widerspreche. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 StBerG, wonach zum Leiter einer Beratungsstelle nicht bestellt werden darf, wer sich so verhalten hat, dass die Besorgnis begründet ist, er werde die Pflicht...

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