Leitsatz
1. Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen lediglich (mit‐)veranlasst sind, unterfallen nicht § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.
2. Eine Abfindung, die der Steuerpflichtige für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude umfangreich renovieren zu können, gehört nicht zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 7, Abs. 5 Satz 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 255 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, erwarb ein Grundstück mit Mehrfamilienhaus für 1,2 Mio. EUR und sanierte das unter Denkmalschutz stehende Gebäude in den ersten drei Jahren nach dem Erwerb für 615.000 EUR. An die weichenden Mieter zahlte sie Abfindungen von 35.000 EUR. Das FA erhöhte insoweit nach einer Betriebsprüfung die anschaffungsnahen Herstellungskosten. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 12.11.2021, 4 K 1941/20 F, Haufe-Index 14984194, EFG 2022, 152).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die Abfindungszahlungen sind sofort abziehbare Werbungskosten.
Hinweis
Erhöhen Abfindungen, die der Eigentümer an weichende Mieter für die Kündigung und Räumung ihrer Wohnung bezahlt, um das Gebäude besser sanieren zu können, die anschaffungsnahen Herstellungskosten oder führen sie zu sofort abziehbarem Aufwand?
1. Das FA und die Vorinstanz hatten argumentiert, für die Zuordnung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten komme es auf den Veranlassungszusammenhang an. Danach erhöhten die Abfindungen die anschaffungsnahen Herstellungskosten.
2. Der BFH ist dem nicht gefolgt und hat stattdessen den Begriff der anschaffungsnahen Herstellungskosten enger gefasst. Es kommt nicht darauf an, ob die Aufwendungen durch die geplante Sanierung veranlasst sind, sondern ob sie durch bauliche Maßnahmen entstanden sind.
3. Das ergibt sich zunächst aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Dazu passt, dass die Anwendungsvorschrift auf den "Beginn der Baumaßnahmen" abstellt. Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Norm stützen eine enge Auslegung der Vorschrift (wird im Urteil ausgeführt).
4. Den baulichen Maßnahmen können die Abfindungen nicht zugeordnet werden. Das würde die Wortlautgrenze überschreiten. Unerheblich ist, dass die Abfindungen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG gezahlt worden sind, um die Sanierung (besser) durchführen zu können. Auf den dadurch begründeten Veranlassungszusammenhang kommt es nicht an.
5. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der originäre Herstellungskostenbegriff weiter ist und z.B. Abrisskosten oder Kosten für die Ablösung eines dinglichen Nutzungsrechts einschließt. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG knüpft nicht an den allgemeinen Begriff der Herstellungskosten an, sondern regelt "fiktive" Herstellungskosten. Mieterabfindungen erhöhen nicht den Gebäudewert und sind deshalb auch nicht nach wirtschaftlichen Maßstäben den Herstellungskosten zuzurechnen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.9.2022 – IX R 29/21