Leitsatz
Im Rahmen der sog. Öffnungsklausel können in die Prüfung, welche Beiträge oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden, nur die tatsächlich geleisteten Beiträge einbezogen werden. Versorgungsanwartschaften eines Beamten bleiben unberücksichtigt.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG, Art. 3 GG
Sachverhalt
Der Kläger, seit 1975 als Beamter tätig, war aufgrund früherer rentenversicherungspflichtiger Tätigkeit berechtigt, freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten. Im Jahr 2003 wurde er in den Ruhestand versetzt. Bei der Bemessung seines Ruhegehalts wurde der Teil der Rentenbezüge nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 BeamtVG angerechnet, der auf die Beiträge entfiel, die aufgrund der Rentenversicherungspflicht des Klägers entrichtet worden waren.
Der Kläger war der Auffassung, die sog. Öffnungsklausel müsse in seinem Fall anwendbar sein. Die Vorschrift müsse hinsichtlich der Beamten, die neben ihren Pensionsanwartschaften durch Zahlung freiwilliger Beiträge auch Rentenversicherungsanwartschaften begründeten, erweiternd ausgelegt werden, um eine willkürliche Ungleichbehandlung mit entsprechenden Angestellten zu vermeiden.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 05.05.2009, 15 K 421/08, Haufe-Index 2212925, EFG 2010,150).
Entscheidung
Der BFH hat aus den oben stehenden Gründen die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Dieses Urteil des BFH ist im Zusammenhang mit den beiden weiteren Entscheidungen des X. Senats des BFH aus diesem Jahr zur Auslegung und zur Verfassungsmäßigkeit der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG zu sehen (Urteile vom 04.02.2010, X R 58/08, BFH/NV 2010, 1173, BFH/PR 2010, 250 und vom 18.05.2010, X R 1/09).
1. Nach der sog. Öffnungsklausel unterliegen auf Antrag auch Leibrenten i.S. d. Basisversorgung wie z.B. Sozialrenten oder Renten von Versorgungswerken nur der Ertragsanteilsbesteuerung, soweit die Renten auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, die oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Der Steuerpflichtige muss dabei nachweisen, dass der Höchstbeitrag mindestens zehn Jahre überschritten wurde.
2. Die sog. Öffnungsklausel kann dabei nicht so ausgelegt werden, dass bei der Berechnung der einzubeziehenden Beiträge neben den tatsächlich geleisteten Beiträgen auch "fiktive" Beiträge zur Beamtenversorgung zu berücksichtigen sind. Gegen eine solche Auslegung sprechen sowohl der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte als auch der Gesamtzusammenhang und der Zweck der Norm.
3. In dem Urteil betont der BFH erneut, dass es sich bei der sog. Öffnungsklausel um eine zulässige pauschalierende und typisierende Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung handelt. Er weist außerdem darauf hin, dass nicht im konkreten Einzelfall geprüft wird, ob eine Doppelbesteuerung vorliegt, sie wird vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zugunsten des Steuerpflichtigen gesetzlich vermutet.
4. Das gesetzliche Erfordernis, dass mindestens zehn Jahre Beiträge oberhalb der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze geleistet worden sein müssen, um insoweit zu einer Ertragsanteilsbesteuerung zu gelangen, wird vor allem vor dem Hintergrund der Administrierbarkeit und Praktikabilität dieser Ausnahmevorschrift als verfassungsgemäß angesehen.
5. Eine Kürzung der Versorgungsbezüge gem. § 55 BeamtVG ist für die Frage der Besteuerung unerheblich. Für die verfassungsrechtliche Würdigung der Normen des EStG am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG kommt es nach der Rechtsprechung des BVerfG ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung an, die diese Normen (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Normen des Einkommensteuerrechts) bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.05.2010 – X R 29/09