Prof. Dr. Mark Knüppel, Thomas Schwalm
5.2.1 Veranlagungszeiträume bis 2021
Rz. 53
Verlegt eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einen Drittstaat und scheidet deshalb aus der unbeschränkten Steuerpflicht aus, gilt sie als aufgelöst (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG). Dem Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht ist gleichgestellt, dass die Gesellschaft in Folge der Verlegung nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als in einem Drittstaat ansässig gilt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 KStG).
Rz. 54
Sowohl der Sitz als auch die Geschäftsleitung begründet die unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG). Eine Wegzugsbesteuerung kommt also nicht in Betracht, wenn die inländische Gesellschaft (Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland) nur eines dieser beiden Merkmale ins Ausland verlegt.
Es ist unerheblich, ob nach dem Wegzug eine beschränkte Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland besteht und das Besteuerungssubstrat insoweit nicht verloren geht.
Rz. 55
Der Austritt des Vereinigten Königreichs und Nordirlands führte nicht zu der Annahme eines Ausschlusses der unbeschränkten Steuerpflicht in einem EU/EWR-Mitgliedstaat bzw. der Ansässigkeit der Gesellschaft in einem Drittstaat nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (§ 12 Abs. 3 Satz 4 KStG). Die Vorschrift ist insoweit klarstellend, als dass es beim Austritt des Vereinigten Königreichs und Nordirlands an dem Tatbestandsmerkmal der Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung fehlte. Sie entfaltet aber Wirkung dahingehend, dass eine Verlegung einer britische oder nordirische Gesellschaft in einen Drittstaat in „nach-Brexit-Zeit“ nicht von § 12 Abs. 3 Sätze 1, 2 KStG erfasst wäre.
Rz. 56
Die Auflösungsfiktion hat zur Folge, dass die Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG entsprechend anzuwenden ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG). In diesem Rahmen sind alle stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern.
Die Schlussbilanz ist auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der deutschen Steuerpflicht zu erstellen. Das Vermögen ist mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Sachgerechter dürfte eine Bewertung zum Teilwert sein, da die Gesellschaft sich nicht auflöst, sondern ihren werbenden Betrieb fortsetzt. Der Gesetzeswortlaut ist allerdings eindeutig.
Rz. 57
Umstritten ist, ob in der Schlussbilanz ein originärer Firmenwert angesetzt werden muss. Dagegen spricht, dass ein solcher Ansatz über die Besteuerung im Fall der Liquidation hinausginge und der Wegzug wie die Liquidation besteuert werden soll.
Für einen Ansatz des originären Firmenwerts spricht allerdings, dass bei der Sitzverlegung der Firmenwert im Gegensatz zur Liquidation nicht verloren geht. Außerdem sollen durch die Schlussbesteuerung die in Deutschland geschaffenen stillen Reserven der Besteuerung zugeführt werden, was auch den Geschäftswert einschließt. Sachgerecht ist es daher, den originären Firmenwert in das Endvermögen einzubeziehen.
Rz. 58
Verlegt eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung ihr Sitz oder ihre Geschäftsleitung von der Bundesrepublik Deutschland in einen Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR und wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung der Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KStG). Eine Verpflichtung zur Aufstellung einer Sonderbilanz besteht insofern nicht.
5.2.2 Veranlagungszeiträume ab 2022
Rz. 58a
In Folge der erheblichen Erweiterung des Anwendungsbereichs des UmwStG auf Drittstaatengesellschaften durch das KöMoG, wurde die Vorschrift des § 12 Abs. 3 KStG ersatzlos aufgehoben. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, den Wegzug aus Deutschland zwingend wie eine Liquidation zu behandeln.
Sollte es durch den Wegzug einer Kapitalgesellschaft zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschlands hinsichtlich des Ge...