Leitsatz
1. Ein Unternehmer, der in- und ausländische Banknoten und Münzen im Rahmen von Sortengeschäften an- und verkauft, führt keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen aus.
2. Die Bestimmungen über Buch- und Belegnachweise bei Ausfuhrlieferungen (§§ 8 und 17 UStDV 1993/1999) sind auf den Nachweis des Wohnsitzes des Empfängers einer sonstigen Leistung i.S.d. § 3a Abs. 3 S. 3 UStG 1993/1999 nicht analog anwendbar.
Normenkette
§ 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 3 S. 3, § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a, § 4 Nr. 8 Buchst. b, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG 1993/1999, Art. 5, Art. 6 der 6. EG-RL, § 8, § 17 UStDV 1993/1999
Sachverhalt
Die Klägerin unterhält Wechselstuben auf einem deutschen Flughafen und betreibt u.a. den An- und Verkauf von ausländischen Banknoten und Münzen (Sortengeschäft). Sie machte in den Streitjahren 1994 bis 1999 Vorsteuerbeträge aus Leistungen geltend, die zur Ausführung von Sortengeschäften mit im Drittlandsgebiet ansässigen Kunden verwendet wurden. Den Anteil des Geschäfts mit Kunden aus Drittländern ermittelte sie, indem sie die Kunden bei jeder Transaktion zu ihrer Ansässigkeit befragte. Diese Daten wurden elektronisch gespeichert und für jeden Voranmeldungszeitraum wurde ein "Report" erstellt.
Das FA vertrat die Auffassung, bei den Sortengeschäften handle es sich um Lieferungen. Diese Lieferungen seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfrei. Der Vorsteuerabzug scheide nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus. Der Ausnahmefall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG sei nicht gegeben, da ein Ausfuhrnachweis nicht geführt werden könne.
Das Hessische FG gab der Klage statt: Mit dem Ankauf und Verkauf von ausländischen Banknoten und Münzen als Sortengeschäft erbringe die Klägerin eine sonstige Leistung. Die Vorsteuerbeträge, die auf Leistungen zur Ausführung von im Drittlandsgebiet ansässigen Kunden verwendet würden, seien abziehbar. Als Nachweis für die Ansässigkeit der Kunden im Drittlandsgebiet sei die Befragung der Kunden und eine entsprechende Dokumentation ausreichend (Hessisches FG, Urteil vom 25.11.2008, 6 K 1627/03, Haufe-Index 2153882, EFG 2009, 1066).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Der BFH qualifizierte den Geldumtausch ebenso wie das FG als sonstige Leistung und nicht als Lieferung. Er hat die Würdigung des FG, die Kundenbefragung und eine entsprechende Dokumentation seien ein ausreichender Nachweis für die Ansässigkeit im Drittlandsgebiet, nicht beanstandet.
Hinweis
1. Für die Entscheidung, ob dem Betreiber einer Wechselstube ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist, ist zunächst zu klären, ob es sich bei dem Geldumtausch (Sortengeschäft) um eine Lieferung handelt oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung). Denn von dieser Unterscheidung kann es abhängen, ob die Wechselstube ihre Leistungen im Inland (§ 3 Abs. 7 S. 1 UStG im Fall einer Lieferung) oder im Ausland (§ 3 Abs. 9, § 3a Abs. 3 S. 3 UStG im Fall einer sonstigen Leistung) erbringt.
Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Auch wenn die Wechselstube dem Kunden an den Scheinen und Münzen in der anderen Währung die Verfügungsmacht verschafft, ist zu berücksichtigen, dass das USt-Recht Leistungen im wirtschaftlichen Sinn erfasst, d.h. solche Leistungen, bei denen ein Interesse des Entrichtenden verfolgt wird, das über eine reine Entgeltentrichtung hinausgeht (vgl. BFH, Urteil vom 31.07.1969, V 94/56, BStBl II 1969, 637).
Dient die Übertragung eines Gegenstands dazu, die Übertragung eines Rechts oder eine bestimmte Nutzung zu ermöglichen, steht regelmäßig die Dienstleistung im Vordergrund (vgl. BFH, Urteil vom 03.06.2009, XI R 34/08, BFH/NV 2009, 2062, BFH/PR 2010, 15).
Der wirtschaftliche Gehalt des Geldwechselns liegt darin, dem Kunden zu ermöglichen, die im Bargeld verkörperte Kaufkraft in einem bestimmten Staat zu nutzen. Die Geld zukommende Eigenschaft, Wertmaßstab für Güter aller Art zu sein, wird von einer Währung in eine andere transferiert. Dem Leistungsempfänger kommt es darauf an, Kaufkraft einer bestimmten Währung zu erhalten. Danach liegt die wirtschaftliche Leistung einer Wechselstube in der Dienstleistung des Umtauschs, die steuerbar ist, wenn dafür ein Entgelt entrichtet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG).
Auch das Gericht der Europäischen Gemeinschaft (EuG) spricht im Zusammenhang mit der Beurteilung von Wechselgeschäften im Rahmen der Einführung des Euro von"Dienstleistungen des Währungsumtauschs" (Urteile vom 14.10.2004, T-56/02 Slg. 2004, II-3495, Rd.Nr. 18 und vom 27.09.2006, T-44/02, Slg. 2006, II-3567, Rd.Nr. 2).
Damit stimmt die Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Devisengeschäfte Dienstleistungen sind (EuGH, Urteil vom 14.07.1998, C-172/96"First National Bank of Chi...