Leitsatz
Beantragt der Veräußerer eines im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücks später nachträglich selbst die Sonderabschreibung nach § 4 FördG für das verkaufte Objekt, so stellt das für den bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid des Erwerbers, in dem diesem die Sonderabschreibung nach § 4 FördG gewährt worden war, ein rückwirkendes Ereignis dar, das das FA zu einer Änderung nach § 175 AO und zu einer Versagung der Sonderabschreibung berechtigt.
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die im Kalenderjahr 1992 die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer gewählt hatten. Die Klägerin erwarb am 18. Dezember 1992 in A-Stadt ein Grundstück mit aufstehendem Haus. Der Kaufvertrag enthielt keine Regelung darüber, ob die Klägerin als Erwerberin des Hauses allein zur Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem FördG berechtigt sein sollte. Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 1992 eine Sonderabschreibung nach § 4 FördG, die der Beklagte antragsgemäß in seinem Bescheid vom 24. August 1994 berücksichtigte. Mit Schreiben vom 4. Januar 1999 teilte das Finanzamt B-Stadt dem Beklagten mit, dass die Verkäuferin des Grundstücks in A-Stadt während einer laufenden Betriebsprüfung die Sonderabschreibung nach § 4 FördG beantragt habe. Nach Ansicht des Finanzamtes B-Stadt habe die Klägerin in Anbetracht dessen keinen Anspruch (mehr) auf die Sonderabschreibung nach § 4 FördG. Der Betriebsprüfer forderte den Beklagten auf, den Einkommensteuerbescheid der Kläger entsprechend zu ändern. Nach Rücksprache mit dem damaligen Steuerberater der Kläger erließ der Beklagte am 28. Juli 1999 einen Änderungsbescheid über Einkommensteuer 1992, in dem er die Sonderabschreibungen nach dem FördG in Höhe von 214.882 DM nicht mehr berücksichtigte. Die Einkommensteuer setzte er demnach in Höhe von 94.608 DM (anstelle von zuvor 7.630 DM) fest. Den Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Entscheidung vom 12. Dezember 2000 als unbegründet zurück.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Der Änderungsbescheid über Einkommensteuer 1992 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Nach § 3 FördG sind die Anschaffung und die Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern sowie Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern begünstigt. Die Anschaffung eines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgutes ist nach § 3 Satz 2 Nr. 1 FördG nur begünstigt, wenn das Wirtschaftsgut bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden ist und für das Wirtschaftsgut weder Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 EStG noch erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden sind. Daraus folgt, dass der Klägerin nach der Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz durch die Verkäuferin kein Anspruch auf Sonderabschreibung für das genannte Haus mehr zustand. Denn die Verkäuferin hatte ebenfalls beantragt, ihr Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz zu gewähren. Dieser erst im Kalenderjahr 1998 geltend gemachte Antrag wirkte auf die Zeit vor dem Verkauf des Hauses zurück. Insoweit wurde die Verkäuferin des Hauses durch ihren (zeitlich späteren) Antrag so gestellt, als wenn sie die Sonderabschreibung für das benannte Haus vor der Klägerin in Anspruch genommen hätte, auch wenn diese in 1993 den Antrag auf Gewährung einer Fördergebiets-Sonderabschreibung gestellt hatte. Der Beklagte war auch dazu berechtigt, den Einkommensteuerbescheid 1992 der Kläger gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Entgegen der Ansicht der Kläger stellte der im Kalenderjahr 1998 gestellte Antrag auf Gewährung von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Denn der Begriff "Ereignis" i. S. d. genannten Vorschrift umfasst alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge eines Sachverhalts, die sich auf die Besteuerung ausgewirkt haben. Hierzu gehört im vorliegenden Fall nicht nur die Tatsache des Verkaufs bzw. aus Sicht der Kläger des Erwerbs, sondern - als Anspruchsvoraussetzung nach § 3 Satz 2 Nr. 1 - die weitere Tatsache, dass weder Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 EStG, noch erhöhte Absetzungen noch Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden sind, und zwar, da es sich vorliegend um einen Erwerb nach Fertigstellung des Wirtschaftsgutes handelt, weder vom Erwerber noch vom Verkäufer bzw. Hersteller. Hiervon waren bei der Veranlagung sowohl die Kläger als auch der Beklagte zu Recht ausgegangen, weil bis zu diesem Zeitpunkt weder die Klägerin noch die Verkäuferin die Sonderabschreibung beansprucht hatte. Nachdem diese jedoch von ihrem Recht, die Sonderabschreibung in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht hat, was bis zur Bestandskraft ihres eigenen Steuerbescheids möglich war, stellt dies für die Klägerin ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, weil dadurch die Anspruchsvoraussetzung des § 3 Satz...