Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Werden vorgegrillte Spanferkel auf Wunsch des Kunden an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Termin fertig gegrillt, handelt es sich um eine einheitliche (Dienst-)Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliegt.
Sachverhalt
Der Kläger ist Landwirt und handelt laut Gewerbeanmeldung mit Schweinefleisch und Wurstwaren, wobei er auf Spanferkelvermarktung spezialisiert ist. Die vorgegrillten Spanferkel werden auf seinem Edelstahlgrill mit Holzbefeuerung aufgespießt und auf dem Gelände des Kunden innerhalb von eineinhalb bis drei Stunden fertig gegrillt. Sodann tranchiert der Kläger das Spanferkel und legt es den Gästen auf die von den Gastgebern bereitgestellten Teller. Besteck, Tische und/oder weiteres Personal werden vom jeweiligen Kunden gestellt. Während der Kläger der Auffassung ist, dass die Lieferung des Spanferkels dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (7 %) unterliegt und er lediglich für die Zubereitung inkl. Grillanlage und Brennmaterial den Regelsteuersatz berechnet, verlangt das Finanzamt für den gesamten "Spanferkelumsatz" 16% bzw. 19 % Umsatzsteuer.
Entscheidung
Da es um die Streitjahre 2005 und 2007 ging, musste sich das Finanzgericht mit der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 der in den Streitjahren gültigen Fassung ("Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle") auseinander setzen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kam es zu dem Ergebnis, dass der Kläger insgesamt eine einheitliche Leistung erbracht hat, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Von entscheidender Beutung sei, dass das Spanferkel auf Wunsch des Kunden an den vom Kunden genannten Ort zur vereinbarten Zeit gebracht und von dort auf dem Grill des Klägers fertig gegrillt wird. Der dominierende Bestandteil der Leistung des Klägers sei nach Ansicht des Gerichts im Grillen des Spanferkels vor Ort beim Kunden zu sehen und nicht in der bloßen Lieferung des Spanferkels. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers käme dem Grillen auf dem mitgebrachten Edelstahl-Spanferkelgrill besondere Bedeutung zu. Der Gastgeber möchte nämlich nicht nur Spanferkelfleisch seinen Gästen anbieten, sondern zugleich im Sinne einer Erlebnisgastronomie das Grillen des ganzen Schweins vor Ort präsentieren. Da die Darreichungsform für den Kunden entscheidend sei, überwiege das Dienstleistungselement des Grillens auf dem Anwesen des Auftraggebers gegenüber der bloßen Fleischlieferung. Im Übrigen könne Spanferkelfleisch in speziellen Warmhalteboxen mit spezieller Um- und Abluft auch warm gehalten werden, so dass das Fertiggrillen vor Ort nicht die einzige Möglichkeit sein dürfte, dem Kunden das fertige Spanferkelfleisch auszuliefern.
Hinweis
Der Fall zeigt, dass trotz mittlerweile zahlreich vorliegender EuGH- und BFH-Rechtsprechung nach wie vor erhebliche Abgrenzungsprobleme bei der Bestimmung des richtigen Umsatzsteuersatzes für die Abgabe von Speisen (und Getränken) bestehen. Auch anhand des zwischenzeitlich vorliegenden Entwurfs eines BMF-Schreibens zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken (Stand 1.8.2012) lässt sich der vorliegende Streitfall meines Erachtens nicht eindeutig lösen.
Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob gegrilltes Spanferkel im Ergebnis anders zu werten ist als beispielsweise auf einem Schwenkgrill zubereitetes Fleisch eines Imbissstandes. Nach Ansicht des Finanzgerichts liegt der Unterschied darin, dass die "Spanferkel-Lieferungen" vorliegend auf Bestellung eines bestimmten Kunden zurückzuführen sind und nicht entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage erfolgen. Der Kunde bestimme, wann das Fleisch geliefert und wo der Grill aufgebaut werden solle. Aufgrund der großen Bedeutung des "Grillens vor Ort" im Sinne eines Events für alle Sinne, sei es auch unbeachtlich, dass im Streitfall keine weiteren Dienstleistungselemente wie z. B. die Bereitstellung von Gedeck und Mobiliar, von Personal oder Bedienung zusätzlich erbracht wurden.
Natürlich kann man mit dem Finanzgericht durchaus übereinstimmen, dass aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers gerade bei der Spanferkelzubereitung dem Grillen vor Ort besondere Bedeutung zukommt. Andererseits würden sich erfahrungsgemäß nicht wenige (insbesondere weibliche) Gäste den Anblick eines frisch geschlachteten Ferkels gerne ersparen und dürften diesen Vorgang persönlich kaum als besonderen Event betrachten. Am Rande hat das Finanzgericht klargestellt, dass der bloße Verkauf eines Spanferkels (z. B. an die Gastronomie) ohne Grillen vor Ort dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Hier überwiege das Element der Lieferung auch in den Fällen, in denen das Spanferkel bereits vorgegrillt wurde.
Womöglich ergibt sich für nach dem 30.06.2011 ausgeführte Umsätze eine etwas andere Beurteilung. Nach Artikel 6 Abs. 1 MwStVO gilt nämlich die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermög...