Leitsatz
Das FG Brandenburg hat mit Beschluss vom 24.5.2004 die Aussetzung der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids beschlossen, der einen privaten Veräußerungsgewinn mit Wertpapieren für das Jahr 1999 der Besteuerung unterwarf. Damit stellte sich das Gericht gegen die Auffassung des BMF, wonach ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen mit Wertpapieren nicht bestehen sollen.
Sachverhalt
Die Antragsteller hatten im Jahr 1999 einen privaten Veräußerungsgewinn mit Wertpapieren erzielt, der im Einkommensteuerbescheid vom 29.11.2001 entsprechend berücksichtigt wurde. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller Einspruch, der vom Finanzamt zum Ruhen gebracht wurde. Nach bereits erfolgter Vollstreckung und zwischenzeitlich zumindest teilweise gewährter Aussetzung der Vollziehung wurde letztlich mit Beschluss des FG vom 29.12.2003 die Vollstreckung des Einkommensteuerbescheids für die Zeit vom 28.12.2001 bis zum 10.6.2003 nach § 69 FGO aufgehoben und Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das FA beantragte nun in Hinblick auf das Urteil des BVerfG vom 9.3.2004 (2 BvL 17/02, BFH/NV Beilage 2004 S. 293) diesen Beschluss rückwirkend aufzuheben.
Entscheidung
Das FG wies diesen Antrag des FA als unbegründet zurück. Eine Aufhebung des AdV-Beschlusses käme nicht in Betracht, weil keine veränderten Umstände vorlägen. Aus dem Urteil des BVerfG ergäbe sich nicht, dass die Besteuerung von Spekulationseinkünften bei Wertpapieren im Streitjahr 1999 verfassungsgemäß sei. Das BVerfG habe es in seiner Entscheidung lediglich abgelehnt, eine Nichtigkeitserklärung für die Folgejahre auszusprechen. Unter diesen Umständen sei die Auffassung des BMF, für die Veranlagungszeiträume ab 1999 käme eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht, unzutreffend.
Das BVerfG habe weder festgestellt, dass die Besteuerung solcher Veräußerungsgewinne ab 1999 verfassungsgemäß sei, noch ausgeführt, dass insoweit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide bestehen.
Für die Vergangenheit läge somit keine Änderung der Rechtslage vor. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung hätten bereits bei Fälligkeit des Einkommensteuerbescheids im Jahr 2001 bestanden. Deshalb sei die AdV zu Recht beschlossen worden. Diese Zweifel würden nicht bereits auf Grund einer die Rechtmäßigkeit anders beurteilenden höchstrichterlichen Entscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit "vernichtet". Ob für die Zukunft eine andere Beurteilung in Betracht kommt, sei für die zutreffende Entscheidung unerheblich.
Hinweis
Nach dem BMF-Schreiben vom 19.7.2004 (IV D 2 - S 0338 - 73/04) lässt die Finanzverwaltung Einspruchsverfahren, in denen die Verfassungswidrigkeit der für Jahre ab 1999 geltenden Vorschriften zur Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren und aus Termingeschäften geltend gemacht wird, grundsätzlich ruhen.
Im Interesse einer baldigen verfassungsrechtlichen Klärung soll aber in einigen geeigneten Verfahren über die Einsprüche entschieden werden. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt danach nicht in Betracht. Ebenso enthalten die Einkommensteuerbescheide insoweit keinen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO.
Dies hat zur Folge, dass betroffene Steuerpflichtige auf jeden Fall gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide Einspruch einlegen müssen. Soll eine Aussetzung der Vollziehung erreicht werden, muss im Zweifel jeweils ein entsprechender Antrag nach § 69 FGO beim FG gestellt werden, da zu erwarten ist, dass die Finanzämter die AdV weiterhin ablehnen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags sind nicht gering, obwohl der oben besprochene Beschluss des FG Brandenburg dafür nicht allzu viel hergibt. Zusätzlich existieren auch noch Beschlüsse des FG Düsseldorf (Beschluss v. 27.7.2004, 8 V 2806/04 A) und des BFH (Beschluss v. 4.8.2003, IX B 45/03, BFH/NV 2004 S. 37), die zwar beide bisher nicht veröffentlicht wurden, jeweils aber einen Antrag auf AdV für die Jahre ab 1999 positiv beschieden haben. Der Beschluss des BFH ist allerdings vor dem Urteil des BVerfG vom 9.3.2004 (2 BvL 17/02) für die Jahre vor 1999 ergangen.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 24.05.2004, 3 V 974/04