Leitsatz
1. Unter einem "Anteil" i.S. des § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG ist die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven zu verstehen.
2. Die Formulierung "aus einem anderen Grund" i.S. des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG erfasst jeden Vorgang, der – zeitlich der Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG folgend – zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Begründung oder Erhöhung des Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts am übertragenen Wirtschaftsgut führt.
3. Wird bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft innerhalb der Sperrfrist eine Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt und hierdurch ein mittelbarer Anteil dieser Kapitalgesellschaft an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut begründet, führt dies zu einem Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG. Eine teleologische Reduktion des Satzes 6 kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Formwechsels an der Oberpersonengesellschaft (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer vermögensmäßig beteiligt sind, die bereits an dem nach Satz 3 übertragenen Betriebsgrundstück (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt waren.
4. Verringert sich der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Formwechsel (Sperrfristverstoß), bestimmt sich der Umfang des Teilwertansatzes nach Satz 6 nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung nach Satz 3.
Normenkette
§ 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6, Satz 3 EStG, § 25 Satz 1, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 1 UmwStG, § 7 Satz 1 GewStG
Sachverhalt
Im Streitjahr 2010 waren an der E-KG als alleinige Kommanditistin die T-KG und an dieser als alleinige Kommanditistin die M-KG beteiligt. Die jeweiligen Komplementär-GmbHs waren vermögensmäßig nicht beteiligt. An der M-KG waren als Komplementär M sowie als Kommanditisten N und die E-GmbH beteiligt. Im Streitjahr hatte die T-KG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein Grundstück in die E-KG eingebracht. Im Jahr 2012 kam es (in zeitlicher Reihenfolge) u.a. zu folgenden Umstrukturierungen:
N übertrug seinen Anteil an der M-KG auf M. Die E-GmbH übertrug einen Teil ihres Mitunternehmeranteils an der M-KG auf die P-GmbH. Die E-GmbH wurde auf die M-KG verschmolzen. Die M-KG wurde formwechselnd in die M-GmbH umgewandelt. Zuletzt wurde die T-KG formwechselnd in die T-GmbH (Klägerin) umgewandelt. Das FA nahm einen Sperrfristverstoß an und setzte rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks den Teilwert zu 100 % an. Das FG (Niedersächsisches FG, Gerichtsbescheid vom 26.10.2018, 3 K 173/16, Haufe-Index 12993538, EFG 2019, 421) gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und wies die Sache wegen fehlender Feststellungen an das FG zurück. Es liege kein Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG vor. Weder die Übertragung des Mitunternehmeranteils an der M-KG durch N auf M noch die Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils an der M-KG von der E-GmbH auf die P-GmbH noch die Verschmelzung der E-GmbH auf die M-KG begründeten einen Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG. Ein solcher liege aber sowohl in der formwechselnden Umwandlung der M-KG in die M-GmbH als auch in der formwechselnden Umwandlung der T-KG in die T-GmbH; Letzterer könne allerdings zu keiner weitergehenden Teilwerterhöhung führen als der vorangegangene Sperrfristverstoß. Bei seiner erneuten Entscheidung müsse das FG noch prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG überhaupt vorgelegen hätten und, falls ja, in welchem Umfang nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG rückwirkend der Teilwert anzusetzen sei.
Hinweis
1. In den in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG genannten Übertragungsfällen ist ein Wirtschaftsgut grundsätzlich mit dem Buchwert anzusetzen. Der Teilwert ist hingegen anzusetzen, soweit bereits im Zeitpunkt der Übertragung (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG) oder innerhalb von sieben Jahren nach diesem Zeitpunkt (§ 6 Abs. 5 Satz 6 EStG) der Anteil einer Körperschaft an diesem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder sich erhöht.
2. Nach Ansicht des BFH will der Gesetzgeber mit diesen Regelungen verhindern, dass die im Zeitpunkt der Übertragung im Wirtschaftsgut vorhandenen stillen Reserven entweder zu diesem Zeitpunkt (Satz 5) oder innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist (Satz 6) steuerneutral von dem ESt- in das KSt-Regime wechseln. Er sanktioniert deshalb zum einen die auf Ebene der Mitunternehmerschaft dadurch eintretende Statusänderung der stillen Reserven, dass diese erstmals einem KSt-Subjekt zuzurechnen sind (Statusänderung auf Ebene der Mitunternehmerschaft). Zudem will er Vorsorge dagegen treffen, dass die stillen Reserven unter Nut...