Leitsatz
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die von selbstständigen Zusammenschlüssen ihren Mitgliedern erbrachten Dienstleistungen nach der genannten Bestimmung auch von der Steuer befreit sind, wenn diese Dienstleistungen nur einem oder mehreren der Mitglieder erbracht werden, sofern die anderen in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.
Normenkette
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-RL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Stichting, ein Zusammenschluss von Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, erbrachte gegen lediglich kostendeckendes Entgelt Leistungen an ihre Mitglieder, die selbst steuerbefreite Tätigkeiten auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge ausüben. Weil manche der Leistungen an die Mitglieder z.T. hinsichtlich Inhalt und Umfang der Leistungen unterschiedlich waren, war zweifelhaft, ob das noch von der Befreiung erfasst war oder ob diese voraussetzt, dass die Leistungen allen Mitgliedern gegenüber erbracht werden.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-RL befreit "die Dienstleistungen, die die selbstständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt". Eine vergleichbare Regelung enthält das UStG nicht. Sie ist daher für solche Leistungen von Bedeutung, hat allerdings wegen der Wettbewerbsklausel einen eingeschränkten Anwendungsbereich, wenn der Begriff der Wettbewerbsverzerrungen – wie der EuGH zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL (Urteil vom 16.09.2008, Rs. C-288/07 "Isle of Wight Council", BFH/NV 2009, 108, BFH/PR 2009, 63) entschieden hat – sich auf die Art der Tätigkeit bezieht und nicht – wovon das Wettbewerbsrecht ausgeht – auf die Verhältnisse des für die jeweils betreffenden Tätigkeit "relevanten Markts".
Befreiungen sind zwar grundsätzlich eng auszulegen. Sie dürfen aber auch nicht so ausgelegt werden, dass die Befreiung praktisch wirkungslos wird. Außerdem muss die Auslegung mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht.
Dem Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-RL lässt sich nicht entnehmen, dass die in ihm vorgesehene Steuerbefreiung nur für Dienstleistungen gilt, die selbstständige Zusammenschlüsse an alle ihre Mitglieder erbringen. Besteht ein selbstständiger Zusammenschluss aus zahlreichen Mitgliedern mit unterschiedlichen Bedürfnissen, so ist es auch durchaus möglich, dass die Leistungen, die er ihnen erbringt, nicht grundsätzlich die gleichen sind. Eine Auslegung, die gleiche Leistungen an alle Mitglieder erforderte, liefe dem Zweck der Regelung entgegen.
Deren Ziel ist – so der EuGH – zu vermeiden, dass jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, Mehrwertsteuer entrichten muss, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind. Auch bei unterschiedlichen Leistungen an die Mitglieder kann der genaue Anteil an den Ausgaben, der jeder einzelnen Dienstleistung zuzuordnen ist, ermittelt werden und ist die Prüfung möglich, ob damit lediglich kostendeckende Gegenleistungen verlangt werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 11.12.2008, C-407/07 – Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing –