Sachverhalt
Bei der Klage der Kommission gegen Griechenland ging es um die Frage, ob die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie sich auch auf Leistungen der Pannenhilfe im Straßenverkehr erstreckt. Die Kommission bejahte dies und war der Auffassung, Griechenland habe dadurch gegen die Richtlinienvorschrift verstoßen, dass es Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen erhob, die in der Beistandsleistung auf der Straße in Schadensfällen bestehen.
Die Kommission war der Auffassung, dass die griechische Organisation für Hilfeleistung auf der Straße (ELPA), obwohl sie nicht den Versicherungsrichtlinien unterliege, eine Versicherungstätigkeit im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie ausübe. Beistandsleistungen, die spezialisierte Einrichtungen ihren Mitgliedern bei Fahrzeugpannen im Straßenverkehr erbringen, könnten unter den Begriff "Versicherung" fallen, weil das gedeckte Risiko das ungewisse Ereignis betreffe, dass das Fahrzeug infolge einer im durch den betreffenden Beitrag abgedeckten Zeitraum eingetretenen Panne an einem unbestimmten Ort liegen bleibe. Sie berief sich neben den anderen Sprachfassungen der Richtlinie auf den Neutralitätsgrundsatz, der verlange, dass dieselbe Tätigkeit unabhängig davon, wer sie ausübe, in der gleichen Weise zu besteuern sei. Außerdem gehe die Definition des Begriffs "Versicherung" nach der EuGH-Rechtsprechung (Rechtssache C-349/96, CPP) dahingehend, dass er die Beistandsleistung auf der Straße im Schadensfall mit erfasse. Außerdem fielen Beistandsleistungen auf der Straße durch Versicherer unter die Versicherungsrichtlinie 73/239 (in der durch die Richtlinie 84/641 geänderten Fassung).
Entscheidung
Der EuGH hat Griechenland entsprechend dem Klageantrag verurteilt. Der EuGH wiederholt mit Bezug auf frühere Rechtsprechung, dass es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes ist, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen. Die Leistung, zu deren Erbringung im Versicherungsfall der Versicherer sich verpflichtet, muss nicht zwangsläufig in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen, sondern kann auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder durch Sachleistungen erbracht werden.
Der in Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie enthaltene Ausdruck "Versicherungsumsätze" ist grundsätzlich weit genug, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Unternehmer zu umfassen, der nicht selbst der Versicherer ist, aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt. Daher sind Beistandsleistungen im Straßenverkehr, zu deren Erbringung an ihre Mitglieder gegen Zahlung eines festen Jahresbeitrags durch diese sich eine Einrichtung (wie die griechische ELPA) für den Fall verpflichtet, dass das von ihr gedeckte Risiko einer Panne oder eines Unfalls eintritt, "Versicherungsumsätze" im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie und steuerbefreit.
Hinweis
Nach deutschem Recht (vgl. Abschnitt 4 UStR) sind vergleichbare Leistungen von Vereinigungen an ihre Mitglieder bislang nicht steuerbar. Gemessen an dem EuGH-Urteil in der vorliegenden Sache und gemessen an dem EuGH-Urteil vom 21.3.2002, C-174/00 (Kennemer Golf & Country Club) müsste der gesamte Katalog der Steuerbefreiungen nach § 4 UStG zur Anwendung kommen können. Bei Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen wären Leistungen der Automobilclubs an ihre Mitglieder auf dem Gebiet der Pannenhilfe je nach vertraglicher Vereinbarung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g oder § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 07.12.2006, C-13/06