Leitsatz
Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 13 Teil B Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie verstoßen, dass sie Dienstleistungen der Pannenhilfe im Straßenverkehr der Mehrwertsteuer unterworfen hat.
Problematik
Ein griechischer Automobil- und Touringclub erbrachte an seine Mitglieder gegen Zahlung eines festen Jahresbeitrags Beistandsleistungen bei Fahrzeugpannen oder Unfällen. Nach griechischem Umsatzsteuerrecht unterlagen solche Leistungen der MwSt. Die Klage der EG-Kommission vor dem EuGH gegen Griechenland hatte Erfolg. Der EuGH beurteilte die Leistungen als steuerfreie "Versicherungsumsätze" i. S. v. Art. 13 Teil Buchst. a der 6. Richtlinie.
Für diesen Begriff gilt nur die gemeinschaftsrechtliche Definition. Sie setzt voraus, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen. Diese Leistung braucht (nach dem vorliegenden Urteil) nicht in der Zahlung eines Geldbetrags, sondern kann auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder durch Sachleistungen bestehen. Dass der Automobilclub kein "Versicherer" im herkömmlichen Sinn ist, spielt keine Rolle, weil nach der EuGH-Rechtsprechung jeder Unternehmer, der nicht selbst Versicherer ist, seinen Kunden durch Einschaltung einer Gruppenversicherung Versicherungsschutz im eigenen Namen verschaffen kann.
Konsequenzen für die Praxis
Das EuGH-Urteil überrascht aus der Sicht der deutschen Praxis. Hierzulande werden solche Hilfeleistungen von Automobilclubs in erster Linie noch als nichtsteuerbare Vereinsleistungen an die Mitglieder behandelt. Die Frage einer Steuerbefreiung stellt sich dann nicht. Die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der Vereinsbeiträge als Entgelt für die Vereinsleistungen (i. d. R. Leistungsbereitschaft) hat sich bei Gesetzgeber und Verwaltung noch nicht durchgesetzt. Im Übrigen sieht das UStG für Körperschaften, die ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen, nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG bislang nur den ermäßigten Steuersatz vor.
Betroffen von der neuen EuGH-Entscheidung könnten auch die sog. "Rückholdienste" gemeinnütziger Körperschaften sein, die bei festen Mitgliedsbeiträgen oder Förderbeiträgen als "unentgeltlich" angeboten werden. Der Schritt von der nichtsteuerbaren Verbandsleistung an Mitglieder zum (nach dem USt-System gebotenen) Leistungsaustausch wird immer dringender. Über die Anwendung der Befreiungsvorschrift für Versicherungsumsätze wird der gebotenen Steuerbarkeit solcher Leistungen die Schärfe genommen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 7.12.2006, C-13/06, – Kommission gegen Hellenische Republik –.