Sachverhalt
Bei dem britischen Verfahren ging es um die Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen bei der Vermietung eines Grundstücks an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer und vor allem um die Frage der Interpretation des EuGH-Urteils vom 11.6.2009 in der Rs. C-572/07 (RLRE Tellmer Property). In dieser Sache hatte der EuGH entschieden, dass für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) die Vermietung eines Grundstücks und die Dienstleistung der Reinigung von Gemeinschaftsräumen als selbständige, von einander trennbare Hauptleistungen anzusehen sind, so dass die Reinigungsleistungen nicht steuerfrei sind.
Im vorliegenden Ausgangsverfahren handelte es sich um einen mit der Rechtssache Tellmer Property vergleichbaren Sachverhalt. Auch hier war fraglich, ob die Zusatzleistungen eines Vermieters, über die im Rahmen eines Raummietvertrages als Nebenkosten abgerechnet wird, eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Vermietung darstellen.
Die Klägerin ist eine britische Rechtsanwaltskanzlei, die mehrere Stockwerke von Bürogebäuden gemietet hatte. Der Vermieter hatte für die Grundstücksvermietungen nicht zur Steuerpflicht optiert, so dass sie Vermietungen steuerfrei waren. Aufgrund der jeweiligen Mietverträge war die Klägerin verpflichtet, ein Dienstleistungsentgelt für bestimmte Zusatzleistungen des Vermieters an den vermieteten Räumen (z.B. Reparatur, Dekoration und Reinigung der Gebäudefassaden, Wartung und Reparatur von Maschinen und von Heizungsanlagen, Beleuchtung der Gemeinschaftsräume, Warm- und Kaltwasserversorgung, Personal für die Verwaltung und Sicherheit der Gebäude, Reinigung von Gemeinschaftsräumen etc.) zu zahlen. Der Mietvertrag sah vor, dass der Vermieter den Vertrag kündigen konnte, falls der Mieter die drei vereinbarten Arten von Mietzahlungen (eigentliche Miete, Entgelt für Gebäudeversicherungskosten, Entgelt für die Zusatzleistungen wie Reinigung, Beleuchtung etc.) nicht leistete. Der Vermieter behandelte die Zusatzleistungen - im Einklang mit der Auffassung der britischen Finanzverwaltung - als (unselbständige) Nebenleistungen zu der Vermietung als steuerfrei. Die Klägerin meinte, die Zusatzleistungen seien als Hauptleistungen steuerpflichtig und berechtigten sie zum Vorsteuerabzug.
Entscheidung
Der EuGH hat - im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Leistung - entschieden, dass die Vermietung eines Grundstücks und die mit dieser Vermietung zusammenhängenden Zusatzleistungen, wie sie im Ausgangsverfahren vorkommen, eine einheitliche Leistung darstellen können. Dabei ist die dem Vermieter eingeräumte Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, falls der Mieter das Zusatzleistungsentgelt nicht zahlt, ein notwendiger, aber nicht hinreichender Hinweis, der für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung spricht. Der Fakt, dass die in Rede stehenden Zusatzleistungen grundsätzlich auch von einem anderen als dem Vermieter erbracht werden könnten, ist nicht entscheidend und führt noch nicht zur Verneinung einer einheitlichen Leistung.
Auffällig ist, dass der EuGH, obwohl er vom Vorlagegericht auf diese Entscheidung hingewiesen worden war und obwohl er eine Reihe seiner bisherigen Entscheidungen zur Einheitlichkeit der Leistung bzw. zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung zitiert hat, an keiner Stelle der Entscheidungsgründe sein Urteil vom 11.6.2009, C-572/07 (RLRE Tellmer Property) erwähnt hat. In der Sache C-572/07 hatte der EuGH es noch (anders als im vorliegenden Verfahren) für ausschlaggebend gehalten, wenn die Reinigung der Gemeinschaftsräume eines Gebäudes statt von dem Vermieter auch von einem Dritten erbracht werden kann und war deshalb zu dem Schluss gelangt, dass die Vermietung des Gebäudes und die Gebäudereinigung keine einheitliche Leistung darstellen, sondern zwei selbständige Hauptleistungen.
Das jetzige Urteil kann daher wohl getrost als Abkehr von der Rechtsprechung in der Sache C-572/07 verstanden werden (auch wenn der EuGH dies nicht ausdrücklich erwähnt hat - man sucht in solchen Fällen in EuGH-Urteilen zum Mehrwertsteuerrecht im Tenor der Entscheidung vergeblich (anders als hin und wieder bei BFH-Urteilen) den Klammerzusatz "(Änderung der Rechtsprechung)"). Der EuGH scheint jetzt doch der Auffassung zu sein, dass vom Gebäudevermieter erbrachte Zusatzleistungen wie Reinigung der Gebäudefassade, Wartung und Reparatur von Maschinen und von Heizungsanlagen, Beleuchtung der Gemeinschaftsräume, Warm- und Kaltwasserversorgung, Reinigung von Gemeinschaftsräumen etc. grundsätzlich Nebenleistungen zur Vermietung darstellen, auch wenn diese Zusatzleistungen gesondert in Rechnung gestellt werden.
Hinweis
Mit der Korrektur seiner Entscheidung in der Sache C-572/07 hat der EuGH die bisherige Auffassung der deutschen Finanzverwaltung bestätigt. Nach Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 UStAE, der zwar auch das EuGH-Urteil in der Sache C-572/07 zitiert, in...