Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
S ist Unternehmer, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung gehören alle Leistungen im Zusammenhang mit seiner Schwimmschule.
Definition des Privatlehrers umstritten
Im vorliegenden Fall ist S als Einzelunternehmer unternehmerisch tätig. Damit erfüllt er in jedem Fall die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Anforderungen an einen "Privatlehrer". Ob auch Personenzusammenschlüsse oder sogar juristische Personen als solche Privatlehrer angesehen werden können, ist abschließend vom EuGH nicht entschieden. Zumindest bei juristischen Personen (z. B. GmbH) wird wohl die Eigenschaft als Privatlehrer nicht vorliegen können.
Die Leistungen, die S im Rahmen der Schwimmkurse gegenüber seinen Kunden ausführt – annahmegemäß kann hier davon ausgegangen werden, dass die Leistungsempfänger nicht Unternehmer sind bzw. (wenn von den Eltern als Vertragspartner ausgegangen wird) die Leistungen zumindest nicht für ihr Unternehmen beziehen – werden nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG dort ausgeführt, wo S seine Leistungen erbringt, hier Stuttgart und somit im Inland nach § 1 Abs. 2 UStG. Es handelt sich um steuerbare sonstige Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Abgrenzung zu Eintrittsberechtigungen fraglich
Bei dem Angebot zu den Schwimmkursen könnte es sich auch um Eintrittsberechtigungen handeln. Der EuGH hatte in einer Entscheidung (in diesem Fall ein 5-tägiger Buchhaltungskurs) festgelegt, dass auch Ausbildungskurse unter den Begriff der "Eintrittsberechtigung" fallen können. Wenn die Leistungen – wie hier – an Nichtunternehmer ausgeführt werden, ist diese Unterscheidung nicht von Bedeutung, da sowohl die unterrichtende Leistung als auch die "Eintrittsberechtigung" dazu einheitlich für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung unter § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG fallen. Wenn aber der Leistungsempfänger ein Unternehmer wäre, der die Leistung für Zwecke seines Unternehmens bezieht, würde sich der Ort der unterrichtenden Leistung an ihn nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitz des Leistungsempfängers ergeben, bei Annahme einer "Eintrittsberechtigung" wäre der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG immer am Veranstaltungsort. Die Unterscheidung ist für grenzüberschreitend ausgeführte Leistungen wichtig.
Die Leistungen des S könnten aber als Schulunterricht steuerfrei sein.
Bestimmte Schwimmkurse nach früherer Rechtsprechung steuerfrei
Der BFH hatte schon 2014 zu der Frage der Steuerbefreiung von Schwimmkursen Stellung genommen. Unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL konnten danach Schwimmkurse, bei denen die Fähigkeit, schwimmen zu lernen im Vordergrund stand, als Schulunterricht (von Privatlehrern) steuerfrei durchgeführt werden. Kurse zum Babyschwimmen wurden dabei vom BFH als nicht steuerfreie Leistungen angesehen, da bei diesen Kursen der Charakter der bloßen Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen sei.
S konnte damit nach den früheren Erkenntnissen zumindest die Kleinkinderschwimmkurse und die Schwimmkurse für Schulkinder als steuerfreien Schulunterricht erfassen, soweit er sich auf die unionsrechtlichen Vorschriften berufen hatte (analog § 4 Nr. 21 UStG). Die Babyschwimmkurse waren aber auch schon nach den bisherigen Erkenntnissen nicht als steuerfreier Unterricht zu erfassen.
Hat S im vorangegangenen Kalenderjahr mit diesen Babyschwimmkursen Umsätze von mehr als 22.000 EUR erzielt, fällt er auch nicht unter die Kleinunternehmerbesteuerung und muss Umsatzsteuer für diese Leistungen bei seinem Finanzamt anmelden und abführen. Soweit sein Gesamtumsatz nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat, kann er sich die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestatten lassen.
Allerdings bestanden Zweifel, ob die bisherige Rechtsprechung des BFH nach unionsrechtlichen Grundsätzen haltbar ist, nachdem der EuGH in einer Grundsatzentscheidung die Steuerbefreiung auch davon abhängig gemacht hatte, dass ein breites Spektrum von Kenntnissen und Fähigkeiten vermittelt werden muss. Nachdem der BFH den EuGH erneut angerufen hatte, hat der EuGH entschieden, dass zwar die Vermittlung der Schwimmkenntnisse wichtig ist und auch im Allgemeininteresse liegt, es sich aber trotzdem nur um eine Fertigkeit handelt, deren Vermittlung nicht unter die Befreiungsregelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL fallen kann. S muss damit – zumindest für die Zukunft – bei der Schwimmschule – sowohl dem Babyschwimmen als auch bei dem Klein- und Schulkinderschwimmen – mit Umsatzsteuer kalkulieren. Allerdings hat er dann auch aus allen damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug.
Nichtbeanstandungsregelung fraglich
Ob sich die Finanzverwaltung nach der Folgeentscheidung des BFH zu Schwimmschulen und ähnlichen schulischen Leistungen äußert und eine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit treffen wird, ist fraglich. Es sind bei Finanzgerichten diverse Verfahren anhängig (z. B. zu ...