Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Die Steuerbefreiung für Dienstleistungen rund um Schulungsleistungen, Aus- und Fortbildung ist seit Jahren ein Praxisproblem. Unternehmer hatten sich zunehmend darum bemüht, auch unter Berufung auf das Unionsrecht, Leistungen als steuerfreie Leistungen durchzusetzen. Allerdings sind nach der Rechtsprechung des EuGH offenbar die Möglichkeiten für die Steuerbefreiung deutlich enger, als dies in der Vergangenheit durch die nationale Rechtsprechung angenommen wurde. So setzt die Steuerbefreiung nach Unionsrecht voraus, dass nicht nur ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht vorliegt, sondern es sich um die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen handelt. Der Praxisfall möchte die Konsequenzen für die Unternehmer darlegen und Strategien zur Vermeidung von Nachteilen aufzeigen.
1 Problematik
Führt ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland eine Lieferung oder sonstige Leistung gegen Entgelt aus, führt dies zu einem steuerbaren Umsatz. Ist der Umsatz steuerbar ausgeführt, muss geprüft werden, ob der Umsatz einer Steuerbefreiung nach § 4 UStG unterliegt. Dabei führen die Steuerbefreiungen systematisch zu verschiedenen Rechtsfolgen:
- Die Leistung wird steuerbefreit ausgeführt, der Unternehmer hat dennoch für damit in Zusammenhang stehende Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug. Dies betrifft insbesondere die Leistungen nach § 4 Nr. 1–7 UStG, die wegen grenzüberschreitend ausgeführter Leistungen zu Steuerbefreiungen führen.
- Die Leistung wird steuerbefreit ausgeführt und dem Unternehmer steht für damit in Zusammenhang stehende Eingangsleistungen kein Vorsteuerabzug zu. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung kann nicht ausgeübt werden. Dies betrifft insbesondere steuerbefreite Leistungen aus dem Gesundheitswesen, kulturelle Leistungen und Schul- und Ausbildungsleistungen.
- Die Leistung wird steuerbefreit ausgeführt, dem Unternehmer steht für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen kein Vorsteuerabzug zu, er kann aber unter den Bedingungen des § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten. Dies betrifft insbesondere Finanzdienstleistungen, Vermietungsleistungen sowie die Lieferung von Grundstücken. Verzichtet der Unternehmer zulässigerweise auf die Steuerbefreiung, führt er den Umsatz steuerpflichtig aus und ist dann unter den weiteren Bedingungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug für die damit in Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen berechtigt.
Vornehmlich scheint es für Unternehmer interessant, steuerbefreite Leistungen ausführen zu können, da sie dann vermeintlich "Steuern sparen" würden. Dies ist aber zu pauschal und muss hinterfragt werden. Es erscheint manchmal ein wenig seltsam, mit welchem Einsatz Unternehmer um die Steuerbefreiung ihrer Leistungen kämpfen, ohne zu realisieren, wessen Interessen sie da eigentlich vertreten und dass sie gesamtwirtschaftlich gegen ihre eigenen Interessen arbeiten.
Gerade bei den Schulungsleistungen zeigt sich deutlich, dass unter einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Unternehmer gegen seine eigenen Interessen verstößt, wenn er mit hohem Aufwand gerichtlich die Steuerbefreiung seiner Leistungen durchzusetzen versucht. Exemplarisch kann dies an dem Beispiel des Dozenten aufgezeigt werden, der für den Besucherdienst des Deutschen Bundestags nach der Rechtsprechung des BFH unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreite Unterrichtsleistungen ausführt. Der Unternehmer kann jetzt zwar seine Leistungen gegenüber dem Besucherdienst des Bundestags steuerfrei ausführen, hat dafür aber für damit in Zusammenhang stehende Eingangsleistungen keinen Vorsteuerabzug mehr. Nun mag der Vorsteuerabzug bei dieser Art unternehmerischer Betätigung nicht sonderlich hoch sein, ein Nachteil für den Unternehmer ist es dennoch.
Steuerbefreiung bei Leistungen gegenüber staatlichen Einrichtungen nicht sinnvoll
Bei den Leistungen, die selbstständige Unternehmer gegenüber der öffentlichen Hand ausführen, muss immer beachtet werden, dass die öffentliche Hand (hier der Besucherdienst des Deutschen Bundestags) gesamtwirtschaftlich ohne Probleme in der Lage sein müsste, die Umsatzsteuer auf die Leistungsentgelte der Unternehmer zusätzlich zu bezahlen. Dadurch würde sich auch die Leistung "für den Staat" nicht verteuern, da er ja die Umsatzsteuer wieder einnimmt. Wenn vordergründig mit der "Verteuerung der Leistungen gegenüber der öffentlichen Hand" argumentiert wird, soweit Leistungen mit Umsatzsteuer ausgeführt werden, muss beachtet werden, dass es sich ausschließlich um ein Verteilungsproblem des Umsatzsteueraufkommens zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen handelt. Soweit der leistende Unternehmer gerichtlich die Steuerbefreiung seiner Leistungen erstreitet, betreibt er die Steueroptimierung für den Staat, indem er sich im Ergebnis vom Vorsteuerabzug ausschließt.
Nur in den Fällen, in denen der Unternehmer die Leistungen gegenüber einem nicht zum Vorst...