Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
V verfügt über einen umfangreichen Immobilienbesitz in Deutschland. Unter anderem vermietet er an folgende Mieter Büroräume:
- In einem modernisierten Gebäude der Gründerzeit, das V 2018 erworben hatte, vermietet er an den Steuerberater S Büroräume. V ist bekannt, dass S in nicht unerheblichen Umfang auch Leistungen als Dozent im Rahmen von nach § 4 Nr. 21 UStG begünstigten Vorbereitungskursen auf die Steuerberaterprüfung ausführt.
- An einen freiberuflichen Dozenten, der u. a. auch regelmäßig im Auftrag der Verwaltung des Deutschen Bundestags Besuchergruppen durch den Bundestag führt, vermietet er in einem nahe dem Bundestag gelegenen Neubau (Baujahr 2015) ein kleines Büro.
3.2 Fragestellung
V verzichtet – soweit gesetzlich möglich – bei den Vermietungsleistungen auf die Steuerbefreiung der Umsätze. V möchte wissen, ob dies möglich ist und welche Rechtsfolgen sich für ihn ergeben, wenn er auch schon in der Vergangenheit auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze verzichtet hatte.
3.3 Lösung
V ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er seine Vermietungsleistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Zum Rahmen seines Unternehmens gehören seine sämtlichen Vermietungsleistungen.
Unternehmereigenschaft unabhängig von der Steuerpflicht der Umsätze
Vermietungsleistungen führen immer zur Unternehmereigenschaft des Vermieters. Dies ist unabhängig davon, ob die Vermietung steuerfrei oder durch Option steuerpflichtig ausgeführt wird. Die Unternehmereigenschaft ist z. B. für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens für Leistungen gegenüber einem Vermieter (auch wenn er nur steuerfreie Vermietungen ausführen sollte) von Bedeutung.
Die Vermietungsleistungen sind sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 Satz 1 und 2 UStG, die am Grundstücksort ausgeführt sind. Die Vermietungsleistungen beiden Mietern gegenüber sind damit steuerbare Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Die Vermietungsleistungen sind nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei. V kann jedoch bei der Vermietung unter den Bedingungen des § 9 UStG auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichten. Allerdings ist dabei zu beachten, dass abhängig vom Baujahr die Voraussetzungen für die Option nach § 9 Abs. 2 UStG unterschiedlich zu beurteilen sind.
Da V beide Büros an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen vermietet, liegen in beiden Fällen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG vor. Weiterhin müssen aber auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 UStG in den unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten des § 27 Abs. 2 UStG beachtet werden. Dabei ergibt sich Folgendes:
Bei der Vermietung an den Steuerberater handelt es sich um ein sog. "Altgebäude" i. S. d. § 27 Abs. 2 UStG, da das Gebäude schon um 1870/1880 errichtet worden ist. Unerheblich ist insoweit die Modernisierung, soweit nicht nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen ein neues Wirtschaftsgut geschaffen worden ist. Es ist außerdem unerheblich, dass V das Gebäude erst vor wenigen Jahren erworben hatte. Bei einem solchen Altgebäude kommt es nicht darauf an, ob der Mieter vorsteuerabzugsberechtigte Umsätze ausführt oder steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze bewirkt. Damit ist für die Option des V bei der Vermietung an den Steuerberater nicht von Bedeutung, dass der Steuerberater mit seiner Lehrtätigkeit im Rahmen der Steuerberaterausbildung steuerfreie Ausgangsleistungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ausführt.
Beschränkung des Vorsteuerabzugs beim Mieter
Da S die Büroräume auch für steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze verwendet, kann er die ihm berechnete Umsatzsteuer für die Mieträume nicht in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen. Insoweit ist es für den Vermieter ein wirtschaftliches Problem, ob der Mieter einem Mietvertrag mit diesen Mietkonditionen zustimmen wird. Umsatzsteuerrechtlich steht der Option aber nichts im Wege.
- Bei dem Vermietungsobjekt an den Dozenten handelt es sich um einen "Neubau". Damit muss für den Verzicht auf die Steuerbefreiung neben den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG auch die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 UStG in der aktuellen Fassung erfüllt sein und damit der Mieter bezüglich der ihm gegenüber ausgeführten Leistung vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt sein. Soweit der Dozent nach der Rechtsprechung des BFH unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfreie Umsätze ausführt, ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Damit kann V bei der Vermietung der Büroräume nicht auf die Steuerbefreiung verzichten.
Bagatellregelung der Finanzverwaltung bei Optionsumsätzen
Bei einer geringfügigen Verwendung für vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen lässt es die Finanzverwaltung trotzdem zu, dass der Vermieter auf die Steuerfreiheit des Umsatzes verzichtet. Maximal 5 % vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen werden danach als unschädlich für die Option des Vermieters angesehen.
Wenn der Mieter (Dozent) sich auf die Rechtsprechung des BFH beruft, wü...