Leitsatz
1. Steuerberatern steht seit dem 1.1.2023 mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung, so dass sie in finanzgerichtlichen Verfahren seit diesem Zeitpunkt vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen als elektronische Dokumente übermitteln müssen.
2. Beantragt ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung seiner Registrierung (sog. fast lane) Gebrauch gemacht hat.
Normenkette
§ 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 52d Sätze 1 und 2, § 56, § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO, § 86d, § 157e StBerG
Sachverhalt
Das FG wies die Klage der Klägerin ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.9.2022, 11 K 11010/22). Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, einem Steuerberater, am 20.10.2022 zugestellt. Am 21.11.2022 legte er namens der Klägerin per Telefax beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde ein. Am 12.12.2022 beantragte er per Telefax die Verlängerung der Begründungsfrist. Diese Fristverlängerung wurde gewährt.
Am 20.1.2023 ging beim BFH die Beschwerdebegründung vom 19.1.2023 per Telefax ein. Der BFH wies die Klägerin mit Schreiben vom 27.1.2023 darauf hin, dass die Begründung als elektronisches Dokument zu übermitteln gewesen wäre. Auf § 52d Satz 3 und 4 sowie § 56 FGO wurde hingewiesen.
Mit einem – von einem unterbevollmächtigten Rechtsanwalt elektronisch eingereichten – Schriftsatz vom 23.2.2023 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Begründung vom 19.1.2023 erneut vor und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO). Er hat zur Begründung vorgetragen, eine elektronische Einreichung der Beschwerdebegründung sei nicht möglich gewesen, weil das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht eingerichtet gewesen sei. Die Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware hätten bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 20.1.2023 nicht realisiert werden können.
Beigefügt war ein Schreiben der zuständigen Steuerberaterkammer vom 14.9.2022, in dem darauf hingewiesen wird, dass für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, die Möglichkeit besteht, sich für eine Priorisierung ("fast lane") anzumelden. Einen Vortrag dazu, weshalb die "fast lane" nicht genutzt worden ist, enthält der Antrag nicht.
Entscheidung
Der BFH verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig und gewährte keine Wiedereinsetzung.
Hinweis
1. Nach § 52d Satz 2 FGO sind auch die nach § 62 Abs. 2 FGO vor dem BFH zur Vertretung berechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht, verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Steuerberatern kann seit dem 1.1.2023 von der Bundessteuerberaterkammer ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) eingerichtet werden; sie sind deshalb – worauf der BFH bereits im April 2022 hingewiesen hat – spätestens ab diesem Zeitpunkt nutzungspflichtig (vgl. BFH, Urteil vom 27.4.2022, XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057, Rz. 9).
2. Dies hat der BFH mit dem Besprechungsbeschluss zum ersten Mal zum Nachteil einer Beteiligten und ihres Steuerberaters angewendet, die diese aktive Nutzungspflicht missachtet hatten: Eine per Telefax übermittelte Beschwerdebegründung wahrt die Begründungsfrist nicht (mehr).
3. Die verzögerte Bereitstellung des beSt durch die Steuerberaterkammer hat der BFH im Streitfall schon deshalb nicht als Wiedereinsetzungsgrund genügen lassen, weil dem Steuerberater aufgrund des Hinweisschreibens der Kammer bekannt war, dass von ihr eine "fast lane" für Steuerberater eingerichtet worden war, die mit FG aktiv kommunizieren (müssen), und er nichts dazu vorgetragen hat, warum er die "fast lane" nicht genutzt hat oder nutzen konnte, obwohl er seit November 2022 ein laufendes BFH-Verfahren hatte.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 28.4.2023 – XI B 101/22