Leitsatz
Die Erstattung in der DDR gezahlter Steuern, deren Rechtsgrund durch Aufhebung des als rechtsstaatswidrig erkannten Verwaltungsakts gem. Art. 19 S. 2 EinigVtr entfallen ist, richtet sich nicht nach § 37 Abs. 2 AO, sondern nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG). § 1 Abs. 1 S. 2 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes schließt die Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG auf die Rückgabe von Vermögenswerten im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen steuerrechtlichen Entscheidungen nicht aus.
Normenkette
§ 37 Abs. 2 AO, § 1 Abs. 7 VermG, § 1 Abs. 1 S. 2 VwRehaG
Sachverhalt
Gegen ein Unternehmen war in der DDR 1965 KSt und GewSt festgesetzt worden. 1998 hat das FA den betreffenden Steuerbescheid jedoch gem. Art. 19 S. 2 des Einigungsvertrags als rechtsstaatswidrig aufgehoben. Die Erstattung der entrichteten Steuern lehnte es aber ab. Der dazu ergangene Abrechnungsbescheid weist zu erstattende Steuern und Nebenleistungen von 0 EUR aus.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG wiederum ab (Sächsisches FG, Urteil vom 12.08.2008, 3 K 2037/05, Haufe-Index 2070484).
Entscheidung
Das Unternehmen kann keine Erstattung der an die DDR gezahlten Steuern nach Maßgabe der AO verlangen, sondern hätte allenfalls Rechte nach dem VermG (kein Finanzrechtsweg!) geltend machen können, was jetzt wegen Fristablaufs (§ 30a Abs. 1 S. 2 VermG) nicht mehr möglich ist.
Hinweis
Das VermG enthält für die Erstattung gezahlter Steuern aufgrund von Verwaltungsakten der DDR, die nach dem Beitritt als rechtsstaatswidrig aufgehoben worden sind, eine spezialgesetzliche Grundlage. Denn nach § 1 Abs. 7 VermG gilt das Gesetz auch für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Das ist eine Rechtsfolgenverweisung, welche die nach anderen Wiedergutmachungs- oder Rehabilitierungsvorschriften begründete Pflicht zur Rückgabe von Vermögenswerten den Regelungen des VermG unterwirft.
Die Vorschrift greift also auch dann ein, wenn eine rechtsstaatswidrige Vermögensentziehung nicht nach dem VermG, sondern aufgrund anderer Vorschriften aufgehoben worden ist. Zu den "anderen Vorschriften" gehört neben denjenigen des VwRehaG (keine Anwendung auf Steuerverwaltungsakte!) Art. 19 S. 2 EinigVtr.
Man wird auch leicht erkennen, dass es ein abstruses Ergebnis wäre, wenn die Bundesrepublik Steuern nach § 37 Abs. 2 AO erstatten müsste, die sie gar nicht eingenommen hat, zumal sie für von der DDR rechtsstaatswidrig vereinnahmte Sachwerte nur nach den Vorschriften des VermG unter engen Voraussetzungen Entschädigung leistet.
Das BMF scheint freilich in einem Schreiben vom 27.04.2006, auf welches sich das klagende Unternehmen berufen hatte, eine andere Auffassung vertreten zu haben, sofern es sich dort nicht nur missverständlich ausgedrückt bzw. die Konsequenzen der Unanwendbarkeit des VermG nicht ausreichend bedacht hat.
Über Ansprüche nach dem VermG ist nicht im Finanz-, sondern im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden; der Anspruch richtet sich auch nicht gegen das FA, sondern gegen das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen. Schon deshalb konnte der BFH über ihn nicht etwa nach § 17 Abs. 2 GVG mitentscheiden, der allerdings bei Anspruchskonkurrenz grundsätzlich eine Entscheidung des angerufenen Gerichts auch über an sich rechtswegfremde Anspruchsgrundlagen vorsieht. Ob es sich hier, wenn man von der gespaltenen Behördenzuständigkeit bzw. Passivlegitimation absieht, um eine bloße Anspruchskonkurrenz von § 37 Abs. 2 AO und dem VermG handelte und nicht vielmehr um wesensverschiedene Ansprüche, mithin unterschiedliche Streitgegenstände (Folge: Unanwendbarkeit des § 17 Abs. 2 GVG), mag nicht zweifelsfrei erscheinen. Die Abtrennung und Verweisung des vermögensrechtlichen Rechtsstreits konnte für den BFH aber schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil sich die Klage ausschließlich gegen das FA richtete, also eine Klagehäufung und somit abtrennbare Streitgegenstände nicht gegeben waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.02.2010 – VII R 41/08