Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Steht dem Arbeitnehmer als Ausgleich für seine Arbeit an Wochenfeiertagen ein tarifvertragliches Wahlrecht zwischen Freizeitausgleich und Barabgeltung zu und stellt der Arbeitnehmer keinen Antrag auf Freizeitausgleich, so ist ein Zeitzuschlag in Höhe von 135 % nur mit einem Anteil von 35/135 steuerfrei. Der Anteil von 100/135 ist eine steuerpflichtige Barabgeltung für einen nicht beanspruchten Freizeitausgleich.
Sachverhalt
Der Kläger arbeitete im Wechselschichtdienst bei einem Forschungszentrum und erhielt von seinem Arbeitgeber Zeitzuschläge für Wochenfeiertagsarbeit in Höhe von 135 %. Das Finanzamt teilte diese Zuschläge auf in einen steuerpflichtigen Anteil von 100 % und einen steuerfreien Anteil von 35%. Gegen diese Aufteilung wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch und begehrte die Steuerbefreiung für den gesamten Betrag. Er sei verpflichtet, regelmäßig an Feiertagen und am Wochenende zu arbeiten und hätte keine Möglichkeit einer Abgeltung durch Freizeit. Nach den tarifvertraglichen Vereinbarungen stünde ihm zwar ein Wahlrecht zwischen den Varianten "mit Freizeitausgleich" und "ohne Freizeitausgleich mit Barabgeltung" zu. Nach den tatsächlichen Arbeitsbedingungen könne er das Wahlrecht jedoch nicht ausüben, so dass die Variante "ohne Freizeitausgleich mit Barabgeltung" die Regel sei. Der Erhöhungsbetrag von 100 % sei daher keine Entschädigung für den nicht gewählten Freizeitausgleich.
Entscheidung
Das FG folgt der Auffassung des Finanzamtes und gewährt die Steuerfreiheit nur für einen Anteil von 35/135, da der Anteil von 100/135 nicht als Zuschlag für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit, sondern als Barabgeltung für nicht beanspruchten Freizeitausgleich zu werten ist. Nach den tarifvertraglichen Vereinbarungen hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er für geleistete Arbeit an einem Wochenfeiertag den Freizeitausgleich beantragt oder nicht. Der Verzicht auf den Freizeitausgleich beinhaltet einen erhöhten Zeitzuschlag von 100 %, so dass dieser Zuschlag wirtschaftlich eine Gegenleistung für den Verzicht auf den Freizeitausgleich darstellt.
Da der Zuschlag von 100 % nicht zu dem Lohn für die Feiertagsarbeit tritt, sondern zu dem Lohn für die Arbeit an dem Tag, den der Arbeitnehmer als freien Tag hätte beanspruchen können, fällt er nicht unter die Steuerbefreiung nach § 3b EStG. Die Steuerbefreiung kann nur für den Zuschlag von 35 % gewährt werden.
Hinweis
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az. beim BFH: IX R 27/05). Beim BFH sind derzeit mehrere Verfahren wegen der Steuerfreiheit von Zeitzuschlägen für Feiertagsarbeit anhängig. Die Entscheidungen der FG weichen voneinander ab (z. B. FG Düsseldorf, Urteil v. 8.4.2003, 3 K 7159/00 E, EFG 2003 S. 1070; Niedersächsisches FG, Urteil v. 10.6.2004, 11 K 408/02). Steuerfestsetzungen, die vergleichbare Fälle betreffen, sollten daher bis zur Entscheidung des BFH offen gehalten werden. Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter auf die anhängigen Verfahren aufmerksam machen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2005, 10 K 129/04